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Türkei zu Schadenersatz verurteilt

■ Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gibt Klage einer Kurdin statt. Eine Delegation der Menschenrechtskommission des Europarates war eigens in die Türkei gereist, um den Fall zu klären

Freiburg (taz) – Es ist amtlich: In türkischen Polizeiwachen wird vergewaltigt. Zu diesem Schluß kam gestern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Das Straßburger Gericht verurteilte die Türkei dazu, einer heute 21jährigen Kurdin Schmerzensgeld in Höhe von umgerechnet 75.000 Mark zu zahlen.

Die Klage geht auf einen Vorfall im Sommer 1993 zurück. Die damals 16jährige Frau wurde im Morgengrauen gemeinsam mit ihrem Vater und ihrer Schwägerin verhaftet und ins Polizeihauptquartier der Stadt Derik in der Südosttürkei gebracht. Die Behörden warfen ihr intime Kontakte zu zwei Mitgliedern der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor. Auf der Polizeiwache wurden der Frau die Augen verbunden, dann wurde sie ausgezogen, geschlagen und mit einem starken Wasserstrahl gequält. Anschließend wurde sie von den Polizisten vergewaltigt. Drei Tage später wurden sie und ihre Verwandten wieder freigelassen. Die türkischen Staatsanwaltschaft stellte ihre Ermittlungen ein, nachdem die Polizisten in Derik versichert hatten, die drei KurdInnen seien nie in ihrer Gewalt gewesen.

Die Straßburger Richter stützten sich bei ihrem Urteil auf Ermittlungen der Menschenrechtskommission des Europarates. Diese war mit einer Delegation eigens in die Türkei gereist, nachdem die türkische Regierung auch weiterhin behauptete, der Vorfall sei frei erfunden.

Die Vergewaltigung der Inhaftierten wurde vom Gericht des Europarates als „besonders schwere und abscheuliche“ Form der Mißhandlung bezeichnet. Man könne in diesem Fall durchaus von Folter sprechen. Die Kurdin sei sowohl körperlich als auch emotional mißbraucht und gedemütigt worden.

Harte Worte fand das Gericht auch für die „unzureichenden Ermittlungen“ der türkischen Staatsanwaltschaft. Bei den angeordneten medizinischen Untersuchungen wurde kaum nach Folgen einer Vergewaltigung gesucht, vielmehr ging es vor allem darum, ob die Kurdin noch Jungfrau gewesen war. Auf eine psychologische Untersuchung wurde ganz verzichtet.

Die Türkei hatte bis zuletzt gefordert, daß die Kurdin zuerst türkische Gerichte hätte anrufen müssen. Angesichts der verschleppten Ermittlungen ließen die Straßburger Richter diesen Einwand nicht gelten. Sie hatten Türkei bereits im Dezember letzten Jahres schon einmal wegen Folter in Polizeihaft verurteilt worden. Inzwischen sind schon vier neue Fälle am Gerichtshof anhängig, während zahlreiche Vorwürfe noch von der Straßburger Kommission geprüft werden. Christian Rath

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