Prunk, Protz und leere Kassen

■ Der Bund der Steuerzahler schätzt, daß die Staatsdiener jährlich 65 Milliarden Mark verschwenden

81.000 Mark kostete der Dienstwagen eines Kreisbeigeordneten des Main-Kinzig-Kreises einschließlich Klimaanlage und Schiebedach. Der Sozialdemokrat hat bereits in anderem Zusammenhang für bundesweites Aufsehen gesorgt: Er war einer der ersten, der Sozialhilfeempfängern Kontrolleure ins Haus geschickt hat, um Betrüger zu entlarven.

Einen klaren Fall der Verschwendung von Steuergeldern sieht der Bund der Steuerzahler in der Luxuskarosse. Gestern hat die Organisation in Bonn zum 25. Mal ihr Schwarzbuch präsentiert. 110 Beispiele für „Prunk und Protz, Fehlplanungen und Bauskandale, Luxus und Public Relations“ sind darin enthalten, „so viele wie noch nie“, erklärte der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl Heinz Däke.

Insgesamt schätzt die Organisation die Höhe der verschleuderten Mittel in der öffentlichen Verwaltung auf 65 bis 70 Milliarden Mark. Damit ließe sich, so Däke, die vorgesehene Nettoentlastung der Steuerreform der Bundesregierung gleich zweimal finanzieren oder die Neuverschuldung des Bundes 1997 fast auf null bringen.

„Verschwendung gibt es auf allen Ebenen, von der kleinsten Gemeinde bis zur Europäischen Union“, so Däke. Auch parteipolitische oder regionale Schwerpunkte ließen sich nicht feststellen. Einige besonders markante Beispiele für den lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern:

– In der Westerwald-Gemeinde Vettelschoß wird derzeit eine 4,1 Millionen Mark teure neue Grundschule gebaut, weil es in der alten ein Klassenzimmer zu wenig gab. Ein Anbau hätte etwa 1,3 Millionen Mark gekostet.

Das neue Rentenkonzept: – Knapp zwei Millionen Mark kostete eine breitangelegte Anzeigenkampagne des Bundesarbeitsministeriums unter dem Motto „Gut, daß es jetzt kommt“. Kommt es denn überhaupt?

– 5.742 Mark Miete pro Monat verlangte die Berliner Haus-und Wohnungsbauten GmbH für eine 54 Quadratmeter kleine Wohnung an der Autobahn, in der Asylbewerber untergebracht waren. Das Sozialamt zahlte die hundert Mark pro Quadratmeter anstandslos. Bis der Mietwucher bemerkt wurde, beliefen sich die Gesamtzahlungen auf 275.616 Mark.

– Schönheitsreparaturen für 34.000 Mark wurden im Dienstzimmer des saarländischen Umweltministers ausgeführt, obwohl bereits feststand, daß das Gebäude ein Jahr später abgerissen werden sollte. Acht Monate nach der Renovierung zog der Minister um.

„Trägheit und Unbeweglichkeit“ in vielen Amtsstuben trage zur Verschwendung von Steuergeldern bei, so der Präsident des Steuerzahlerbunds gestern. Steuergeldverschwendung werde verharmlost und sei ein Vergehen ohne unmittelbares Opfer. Däke: „Die Steuerzahler, die letztendlich für die Folgen der Verschwendung haften, bleiben eine unbekannte, anonyme Größe. Da fällt es leicht, es auf ihre Kosten nicht so genau zu nehmen.“ Bettina Gaus