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Keine Lockerung des Embargos gegen Libyen

■ USA lehnen Lockerbie-Prozeß vor einem internationalen Tribunal in einem Drittland ab

Berlin (taz) – Die Anwort von Madeleine Albright fiel klar aus: „Wenn es um Terrorismus geht, kann es mit Libyen keine Kompromisse geben“, beschied die US- Außenministerin am Donnerstag nach einem Afrika-Treffen des UN-Sicherheitsrates. Mit der Unterstützung von Großbritannien und Frankreich erteilte Albright damit dem Ansinnen der Länder der Arabischen Liga, das seit 1992 gültige Flugverbot über Libyen zu lockern, eine Absage.

Das internationale Embargo war in Folge des Absturzes einer Pan-Am-Maschine über der schottischen Ortschaft Lockerbie im Dezember 1988 verhängt worden. Die USA machen für die Katastrophe, bei der 270 Menschen ums Leben kamen, eine von zwei libyschen Agenten an Bord der Maschine geschmuggelte Bombe verantwortlich. Frankreich sieht in vier weiteren libyschen Staatsbürgern die Urheber der Explosion einer Maschine der Luftfahrtgesellschaft UTA über dem Niger im September 1989, bei der 170 Personen umkamen.

Der libysche Staats- und Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi weigert sich trotz des internationalen Drucks bis heute, die sechs Tatverdächtigen auszuliefern, damit sie in einem der von den Anschlägen betroffenen Länder vor Gericht gestellt werden können. Das Luftembargo und wirtschaftliche Sanktionen werden deshalb periodisch vom UN-Sicherheitsrat verlängert.

Die Arabische Liga, der auch Libyen angehört, sucht seit Monaten nach einem Ausweg. Sie griff auf ihrer letzten Sitzung vor einer Woche in Kairo einen Kompromißvorschlag Gaddafis auf. Demnach sollen die beiden mutmaßlichen Lockerbie-Attentäter in einem Drittland vor ein internationales Tribunal gestellt werden. Neben mehreren afrikanischen Staaten schloß sich auch Rußland dieser Idee an. Albright lehnte den Vorschlag jedoch auf der Sicherheitsratssitzung vom Donnerstag ab. Die Arabische Liga hat angekündigt, das Luftembargo einseitig zu lockern, falls der UN-Sicherheitsrat nicht bereit sei, auf den Kompromißvorschlag einzugehen.

Bereits bei der Jahrestagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds Anfang September hatte der Fall Libyen auf der Tagesordung gestanden. Gaddafis Finanzminister Mohamed Beit Al Mal forderte die Aufhebung des Handels- und Wirtschaftsembargos gegen sein Land. Ohne Erfolg: Tripolis sucht deshalb weiterhin nach kleinen Hintertürchen. Nach dem auch im achten Jahr ihres Bestehens die Maghreb-Union (UMA) nicht so richtig aus den Startlöchern kommt, da jeder der drei libyschen Partner – Marokko, Tunesien und Algerien – lieber direkt mit der EU verhandelt, anstatt dies mittels der nordafrikanischen Kopie zu tun, orientiert sich Gaddafi jetzt Richtung Süden, um die internationale Isolierung zu umgehen.

Sein neuestes Projekt heißt Sahara-Union. Mitte August lud Gaddafi seine Kollegen aus den südlichen Wüstenanrainerstaaten Niger, Tschad, Burkina Faso und Mali nach Tripolis sein, um ihnen ein wirtschaftliches Regionalbündnis schmackhaft zu machen. Auch die hohen Gäste machten mit dem Luftembargo Bekanntschaft. Mit dem Flugzeug ging es nur bis ins tunesische Djerba, die restlichen knapp 400 Kilometer mußten sie auf dem Landweg zurücklegen.

Neben vielen Reden über die gemeinsame islamische Identität hatte Gaddafi nur ein konkretes Angebot zu machen: ein zollfreier Zugang zum Mittelmeer. „Hätte ich sie dazu aufgefordert, nach Jerusalem zu marschieren, um die Heilige Stadt zu befreien, sie wären mir blind gefolgt“, erzählte Gaddafi nach dem Treffen prahlerisch den Seinen, die wie überall im arabischsprachigen Nordafrika dazu neigen, auf den Süden herabzublicken. Reiner Wandler

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