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Mehr Geld, aber weniger Zwang

Die Arbeitgeber im Südwesten gewähren bei Altersteilzeit mehr Geld, als im Gesetz steht. Aber sie wollen sich nicht zwingen lassen, neue Arbeitnehmer einzustellen  ■ Von Annette Rogalla

Berlin (taz) – Kaum eine tarifpolitische Auseinandersetzung ist so heftig wie der Streit um die Altersteilzeit. Die Basis ist das „Gesetz zum gleitenden Übergang in den Ruhestand“, mit dem im August 1996 Arbeitsminister Norbert Blüm die Notbremse ziehen wollte. Künftig sollten keine Frühverrentungen ausschließlich auf Staatskosten mehr möglich sein. Denn allein 1995 belasteten die Frührentner die Sozialkassen mit 64 Milliarden Mark.

Seit dem vergangenen Jahr soll ein Teil der Kosten des frühzeitigen Ruhestandes individuell getragen werden. Mit Lohn und Renteneinbußen erkauft sich der Arbeitnehmer ein vorzeitiges Ende seines Arbeitslebens.

Sofern der Arbeitgeber zustimmt, können laut Gesetz Arbeitnehmer vom 55. Lebensjahr an entweder fünf Jahre lang halbtags arbeiten oder zweieinhalb Jahre in Vollzeit und so mit 57,5 Jahren direkt in Rente gehen. Dieses Modell wurde unter dem Namen „Blockmodell“ bekannt; es sieht vor, daß die Bundesanstalt für Arbeit einen Teil der Kosten übernimmt, sofern die Arbeitgeber für den Aussteiger einen neuen Mitarbeiter einstellen.

Die Tarifparteien im Südwesten haben das Blüm-Modell in weiten Teilen übernommen. Eine Garantie, Arbeitsplätze wieder zu besetzen, wurde jedoch nicht vereinbart; dafür wurde im Gegenzug das Gehalt für die Teilzeit, verglichen mit dem Blüm-Modell, leicht erhöht.

Arbeitsminister Blüm hatte kalkuliert, daß bereits 1998 gut 150.000 Beschäftigte von der Altersteilzeit Gebrauch machen würden. Doch im vergangenen August lagen der Bundesanstalt für Arbeit erst 4.500 solcher Förderanträge nach dem Altersteilzeitgesetz vor. Der Präsident des Landesarbeitsamtes Sachsen erklärte die Zurückhaltung damit, daß noch zu viele Arbeitgeber unter dem Druck stünden, Arbeitsplätze abzubauen. Nach einer Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung waren im Juli in neun Wirtschaftszweigen Tarifverträge zur Altersteilzeit vereinbart. Etwa 1,6 Millionen Beschäftigte sind hiervon betroffen. Vereinzelt stocken die Arbeitgeber das Einkommen auf 85 Prozent auf und die Rentenbeiträge auf 100 Prozent, wie etwa bei VW und der PreussenElektra- Gruppe. Kritiker bemängeln, die beiden Modelle seien auf andere Firmen wegen der hohen Kosten nicht übertragbar. So zahlt VW pro Teilzeitler 150.000 Mark.

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