: Kein Rechtsschutz für minderjährige Flüchtlinge
■ Abschiebung vor dem Prozeß: Reibungslose Zusammenarbeit Hamburger Behörden
Vor Gericht sollte die Hamburger Polizei Rede und Antwort stehen, wieso sie dem Kurden Özcan Arslan im August 1995 das Betreten von St. Georg verboten hatte. Vor dem Hamburgischen Verwaltungsgericht sollte über dieses Gebietsverbot, gültig für ein halbes Jahr, gestritten werden. Doch die Zusammenarbeit zwischen Innenbehörde und Bezirksamt Altona lief bestens – und verhinderte nun den Prozeß.
Im Sommer 1995 hatte die Polizei dem minderjährigen kurdischen Flüchtling Özcan Arslan das Betreten des Stadtteils St. Georg untersagt, weil er mehrfach in der offenen Drogenszene angetroffen worden war. Das Verwaltungsgericht hatte die dagegen eingereichte Klage rund ein Jahr nicht verhandelt – und die Ausländerbehörde schob im Januar dieses Jahres den Kurden einfach ab. Im Mai dann entzog das Bezirksamt Altona, Vormund des minderjährigen Flüchtlings, dem Rechtsanwalt von Özcan Arslan auch noch die Prozeßvollmacht. Das Verwaltungsgericht sagte die bereits terminierte Verhandlung daraufhin ab.
„Wir haben kein Interesse daran, daß jugendliche Straftäter von uns auch noch Rechtsschutz bekommen“, bekennt Olaf Wacke aus der Rechtsabteilung des Bezirksamtes Altona unverhohlen, wieso sein Amt den Prozeß stoppte. „Das sollte ja eigentlich klar sein.“Arslans Rechtsanwalt Ernst Medecke war das nicht einsichtig. Özcan Arslan war nicht einmal strafrechtlich wegen Dealerei verurteilt. Außerdem ging Medecke zumindest bisher davon aus, daß auch Menschen, die sich etwas zuschulden kommen ließen, dadurch nicht ihre Grundrechte verlieren. Er bestand auch auf dem Prozeß, als das Gebietsverbot längst abgelaufen und der Kurde außer Landes gebracht worden war. Daß er trotz der geänderten Umstände ein Interesse an einem Urteil des Verwaltungsgerichtes haben durfte, hatte das Gericht anerkannt, indem es den Termin festsetzte.
„Der Junge ist doch sowieso schon abgeschoben“, blockt hingegen die zuständige Sachbearbeiterin im Bezirksamt Altona ab, die sich im übrigen „sowieso nicht mehr so genau erinnert“. Hausjurist Olaf Macke hingegen weiß noch genau, wieso Medecke den Fall nicht zu Ende führen sollte: „Mißlich, daß der überhaupt jemals die Vollmacht dafür hatte“, schimpft Macke. „Wir haben kein Interesse daran, Rauschgiftkriminelle länger im Land zu behalten.“Wozu ihnen noch Rechtsschutz bieten? Deshalb, so verriet er für die Zukunft, „werden wir Vollmachten für die Vertretung in Angelegenheiten, die mit Rauschgift zu tun haben, gar nicht mehr erteilen“.
Medecke vermutet, daß die Polizei den mündlichen Prozeß verhindern wollte und das Bezirksamt gerne bereit war, den Ordnungshütern eine eventuelle gerichtliche Ohrfeige zu ersparen. Das gibt Olaf Wacke mit verblüffender Ehrlichkeit zu: „Wir folgten der Bitte der Innenbehörde, dem Anwalt die Vollmacht zu entziehen..
Elke Spanner
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