: Auf dem Weg zum metropolitanen Ort
■ All das, was im Berliner Osten fehlt – Wachstum, Dichte, Lebendigkeit –, bietet die „City-West“ um den Kurfürstendamm
Es ist kaum zwei Jahre her, da ging in Berlin rund um den Bahnhof Zoologischer Garten und am schicken Kurfürstendamm die Angst um. Angesichts der Konkurrenz, die aus den Baugruben in der Friedrichstraße sowie am Potsdamer Platz in die Höhe schoß, befürchteten Geschäftsleute und Immobilienmakler den Crash. „Am Ku'damm gehen die Lichter aus“, der nahe „Bahnhof Zoo verwandelt sich zum Elendsviertel“, und am gegenüberliegenden Breitscheidplatz samt Gedächtniskirche und Europa-Center „räumen die Käufer das Feld“, „die Ödnis einer Billigmeile“ werde sich ausbreiten, jammerte die AG-City, ein Zusammenschluß von Unternehmern in der „City-West“.
Heute sind die Kassandrarufe verstummt. Für die neuen Warenhäuser, Büro- und Dienstleistungskästen in der Friedrichstraße hat man nur noch ein mitleidiges Lächeln übrig. Die City-West boomt. „Der Ort rund um den Breitscheidplatz sowie den Bahnhof Zoo“, meint Gottfried Kupsch, Immobilienmanager der Einkaufszeile an der Gedächtniskirche, „ist in vielen Funktionen intakt.“ Mieten von 300 Mark und mehr pro Quadratmeter würden erzielt, der Umsatz im Einzelhandel steige, und die Nachfrage großer Gewerbeunternehmen an Eins-a-Standorten liege über dem Angebot.
Zwar müsse noch einiges an dem Stadtraum getan werden; es existierten Defizite, wie die schlechte Verkehrsführung, der zugige Bahnhofsvorplatz oder die Parkhäuser und Porno-Kinos im Umfeld des Quartiers. Doch insgesamt sei man auf dem Weg, „wieder zu dem urbanen und metropolitanen Ort der Stadt zu werden“. Nicht ohne Stolz verweist Kupsch auf eine Besonderheit: es sei „einmalig“, daß mit der Eröffnung des Bücher- und Medienkaufhauses Hugendubel (4.500 Quadratmeter) in der vergangenen Woche dafür der Fast-food-Laden „Burger King“ dichtmachen mußte.
Ebenso wie Kupsch träumt auch Hans Karl Herr (ITAG Immobilien) von neuen Investitionen. Um das Viertel wieder zum Glanzlicht der Hauptstadt aufzupolieren, könne er sich mit weiteren „Hochhauslösungen“ für Büroräume, Geschäfte oder Kultureinrichtungen anfreunden. Die Sorge, den gigantischen Büroflächenleerstand in Berlin mit fast 1,3 Millionen Quadratmeter Nutzfläche noch weiter zu steigern, haben die beiden Gewerbeimmobilienmanager nicht. Kupsch glaubt: „Die Attraktivität der City-West ist nicht vergleichbar mit den Standorten in Ostberlin.“ Fehle es doch dort an allem, was Stadt ausmacht – an Mischung, Dichte, Lebendigkeit, Wachstum.
Damit das „Symbol der Großstadt“, wie Berlins Senatsbaudirektorin Barbara Jakubeit „das urbane Zentrum“ der City-West stilisiert, noch eine „weitere Aufwertung“ erfährt, soll es zugleich „Experimentierfeld für neue Bauformen“ werden. Während die bündnisgrüne Baustadträtin des Bezirks Charlottenburg, Beate Profé, befürchtet, Neubauten drückten die alten Architekturen „an die Wand“ und verwandelten „die Gedächtniskirche zum Zwerg“, hat Jakubeit eine „Downtown“ City- West im Visier: „Der Breitscheidplatz und der Bahnhofsbereich müssen als Hochhaus-Ensemble weiterentwickelt werden.“
Jakubeit, Berlins Bausenator Jürgen Klemann (CDU) und der Architekt Christoph Mäckler legten deshalb eine „Machbarkeitsstudie“ auf den Tisch, die ganz auf eine Investoren-Skyline setzt: Zusätzlich zu den beiden geplanten Hochhäusern sollen drei neue Hotel- und Büroriesen mit fast 100.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche im Quartier entstehen. Außerdem ist vorgesehen, das „Kant-Dreieck“ zum Tower aufzustocken, das „Kudamm-Eck“ neu zu bauen und ein IC-Hotelturm am Bahnhof Zoo zu errichten. Daß nebenbei noch die neue Börse von Grimshaw & Partners, Fernsehstudios und mächtige Passagen sich im Bau befinden beziehungsweise vorgesehen sind, ist fast schon Schnee von gestern. Rolf Lautenschläger, Berlin
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