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Human-museale Ausstellungsstücke

■ Die „Performatrix“-Konferenz will geistige und körperliche Präsenz erlebbar machen

Eine Künstlerin nimmt nacheinander alle Haltungen der Musen aus dem Garten der Palladio-Villa Godi-Valmerana ein, eine andere versucht mit Einsatz von Papier, Wachs, Latten, Schreibmaschine und Geige den Moment zu fixieren, an dem ein Platzregen auf einen Schwarm Bienen trifft: Wenn Künstler etwas tun und andere gucken zu, und es ist nicht Theater oder Tanz, nennt man das Performance. Der englische Begriff wurde bei uns vor gut 25 Jahren zur Klammer aller experimentellen Formen flüchtiger bildender Kunst.

Von Freitag bis Sonntag will die Performatrix auf Kampnagel in Wort und Tat den aktuellen Stand dieser Kunstform untersuchen. Der Tag gilt mit Gesprächen, Diskussionen, Filmen und Videos der Theorie, abends zeigen mehr als 20 Künstler und Künstlerinnen aus ganz Europa ihre Interventionen zwischen körperlichem Einsatz und stiller Konzentration, sozialer Agitation und theatralischem Gestenrepertoire. „Bekochung der Teilnehmer“(Mario Ohno) und skurile Aktionsvorträge wie die von John Bock stehen ebenfalls auf dem Programm. Doch Performance ist kein Fachterminus der Kunst allein: Sportler und Politiker, Techniker und Manager, Banker und Börsianer benutzen den Begriff, um auf besondere Kampagnen und steigende Gewinne hinzuweisen. Deshalb sind zu den Gesprächsrunden auch Sporttrainer, Talkmaster, Börsenmakler, Therapeuten und Vertreter von Greenpeace geladen.

Die Konferenz ist ein Ergebnis der seit drei Jahren betriebenen Vernetzung bis dato meist einzeln agierender Künstler im Rahmen des „Performance Index“in Basel und des Kölner „ASA - European e.V.“unter der Leitung von Boris Nieslony. In den Worten des Veranstalters Johannes Lothar Schröder ist das Ziel des Wochenendes „andere Möglichkeiten, Zeitebenen, Dimensionen des Handelns und des Denkens, der physischen und geistigen Präsenz erlebbar zu machen und zu erforschen.“

Dabei helfen ihm die Mitveranstalter Jochen Wüstenfeld und Thomas Werner. Die Hamburger Performer betreiben gemeinsam Aktionen, in denen sie in stiller Präsenz ihre physische Grenze ausloten. Am Wochenende werden sie sich als museale Ausstellungsstücke präsentieren und ihre nackten Oberkörper in geschlossenen Glaskästen auf weißen Sockeln zur Schau stellen.

Hajo Schiff Öffentliche Konferenz „Performatrix“: KX auf Kampnagel, 3.- 5. Oktober.

Programmstruktur: tägl. 10 – 12 Uhr: Vorträge; 13.30 – 16 Uhr: Gesprächs-Panels; 17 – 18.30 Uhr: Filme, Videos und Experimente; ab 20 Uhr bis open end: Performances.

Infos im Netz: http// www.performatrix.org . Katalog mit grundlegenden Texten und Werkbiographien aller Teilnehmer, hg. von Heinrich Lüber und Johannes Lothar Schröder, 64 Seiten, 15 Mark

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