: Wagenburg unerwünscht
■ Als Lebensform nicht vorgesehen: Bauwagenplatz in Norderstedt bedroht
„Diese Lebensform ist nicht vorgesehen“. Gemütlich sitzen die BauwagenbewohnerInnen in der Sonne, eingekreist von zehn liebevoll gestalteten Wagen. Wie eine Mauer schirmen diese das kleine gallische Dorf von der Restwelt ab. Die will ihnen ihr Sommeridyll zerstören, noch ehe die ersten Herbst-stürme die Bauwagen erschüttern: Heute läuft eine Frist zur Räumung des Feldes in Norderstedt ab. Da die zehn Männer und Frauen „mittlerweile erklärt haben, daß sie freiwillig gehen“, so Baustadtrat Hans-Joachim Grote (CDU), wurde die Galgenfrist kurzentschlossen noch einmal bis Ende Oktober verlängert.
Dann allerdings soll endgültig Schluß sein mit dem Projekt „Phase 1“. Denn in der Landesbauordnung von Schleswig-Holstein sind Bauwagenplätze nicht vorgesehen, und was es laut Gesetz nicht gibt, das darf es auch auf dem freien Feld nicht geben. Jedenfalls nicht in Norderstedt. „In Kiel, Flensburg und Lübeck gibt es trotzdem Bauwagenplätze“, hält Emmer, einer der Bewohner, dagegen. Sogar auf städtischen Grundstücken.
Daß sie ihre städtische Wiese verlassen müssen, haben die BewohnerInnen notgedrungen geschluckt. Jetzt sehen sie sich nach einem privaten Grundstück um. Auch dafür gibt es andere Vorbilder in Schleswig-Holstein. In Norderstedt jedoch ist auch „diese Lebensweise nicht vorgesehen“. Deshalb kommt ein Ausweichgrundstück, sei es privat oder im Eigentum der Stadt, für Grote nicht in Frage. „Ich stehe gerne hilfreich bei der Wohnungssuche zur Verfügung“kündigt er an. Zunächst könnten die BewohnerInnen ja in Obdachlosen-Notunterkünfte ziehen, dann könnte man weitersehen. Das jedoch stößt bei den jungen Leuten auf Kopfschütteln. „Wie kann eine Stadt, die es nicht schafft, adäquate Wohnungen für alle Menschen zur Verfügung zu stellen, Eigenverantwortlichkeit so sehr behindern?“fragen sie. Die Antwort jedoch ist klar und für Grote unanfechtbar: „Diese Lebensform ist nicht vorgesehen.“ Elke Spanner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen