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Das Medium T-Shirt – Meinungsträger von heute

■ Öl-Multi Shell fühlt sich durch ein bedrucktes T-Shirt verunglimpft. Dessen Hersteller pocht hingegen darauf, das Shirt sei ein „Akt der politischen Stellungnahme“

Kunst oder Kommerz, das ist die Frage. Daß man darüber überhaupt streiten muß, löst bei Paul Kalkbrenner nur verständnisloses Kopfschütteln aus. Und zwar schon seit 1995 und durch zwei Gerichtsinstanzen hindurch. „Meine T-Shirts sind eindeutig Meinungsträger“, sagt er. Sind sie nicht, hält die Deutsche Shell AG dagegen, sondern schlichter Kommerz.

Eigentlich hätte dem Großkonzern ja egal sein können, ob Kalkbrenner nun seine Meinung kunstvoll äußern oder Geld scheffeln will – wäre auf einem der Shirts nicht die zum Totenkopf verfremdete Shell-Muschel mit der Unterschrift „hell“abgebildet. Derart verunglimpft, ließ der Multikonzern dem kleinen T-Shirt-Vertrieb „Abgang“im August 1996 den Verkauf der Shirts gerichtlich verbieten. Das wiederum wollte der sich nicht gefallen lassen und zog vor Gericht. Am Donnerstag verhandelte das Hamburgische Oberlandesgericht (OLG).

Kalkbrenner, Inhaber von „Abgang“, hatte das T-Shirt 1995 auf dem Höhepunkt der Greenpeace-Kampagne gegen die geplante Versenkung der Shell-Bohrinsel Brent Spar entworfen. Damit wollte er „seine Meinung über die verschiedenen von Shell verursachten Umweltskandale“ausdrücken. Die Hemden verkaufte er, und zwar 1000fach. Ha! jubilierte da der Vertreter des Shell-Konzerns am Donnerstag: Beim Verkauf habe Kalkbrenner Geld erworben, also Kommerz betrieben, also könne er sich nicht auf sein Recht auf Meinungsfreiheit berufen. Geschweige denn, den Öl-Multi verunglimpfen.

Nüchtern erinnerte Kalkbrenner hingegen daran, daß auch Zeitungen zweifellos Meinungsträger seien – obwohl auch sie verkauft werden. „Hätte ich einen Rundfunksender, hätte ich meine politischen Ansichten darüber verbreitet. Mein Medium sind aber T-Shirts.“Diese seien die „Meinungsträger von heute“, modern und von der Jugend akzeptiert. Die „Markenverballhornung“sei deshalb ein „Akt der politischen Stellungnahme“.

Daß diese einen Schandfleck auf der renommierten Shell-Muschel hinterläßt, will dem Konzern erst aufgefallen sein, als das Shirt bereits seit eineinhalb Jahren im Umlauf war. Erst dann nämlich beantragte Shell eine einstweilige Anordnung gegen den Verkauf – für einen Dringlichkeitsantrag viel zu spät, wie Kalkbrenners Anwalt Ulrich Wollenteit findet. „Die haben abgewartet, bis Gras über die Sache Brent Spar gewachsen ist“, ist er überzeugt. „Hätten sie geklagt, als auf Demonstrationen gegen Shell Tausende mit den Shirts rumliefen, hätte ihnen das doch nur peinliche Presse eingebracht.“

Auch der Bundesgerichtshof (BGH) mußte schon öfters darüber entscheiden, ob eine „Markenverballhornung“erlaubte Meinungsäußerung oder verbotene Verunglimpfung ist. Als etwa die Hersteller des Schokoriegels „Mars“sich durch den Spruch „Mars macht mobil – bei Freizeit, Sex und Spiel“gekränkt sahen, hatte der BGH ihnen recht gegeben. Begründung: Der Spruch sei so originell, daß KundInnen glauben könnten, er stamme tatsächlich von der Firma Mars. Daß man ihnen eine solche Werbung zurechne, müßten sich die Schokoprinzen nicht gefallen lassen. Bei dem Autokonzern BMW sah der BGH diese Gefahr nicht: „Bums mal wieder“lautete hier die Verballhornung. Der BGH wies die Klage ab.

Welchem der beiden Urteile das Hamburgische OLG folgen wird, wird sich am 30. Oktober zeigen, wenn es seine Entscheidung verkündet. Elke Spanner

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