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Für die erste Nacht, für immer

Schwere Eiche mit Besucherritze, das ist nicht mehr gefragt. Beim Bettenkauf offenbaren sich Kunden und Verkäufer. Ein Gang durch die Untergeschosse  ■ Von Viola Roggenkamp

Betten gibt es vorzugsweise am Rande einer Stadt zu kaufen. Nicht im Zentrum des täglichen Getriebes stehen die großen Fachgeschäfte, sondern etwas abgerückt, auf Distanz zum alltäglichen Lärmen und Besorgen. Zu den Betten geht es in den Einrichtungshäusern nach unten. Irgendwie sehr sinnig. Die Bettenabteilung gehört ins Untergeschoß. Dort ist die Beleuchtung ein wenig gedämpft. Oder scheint es nur so? Dort ist Verheißung von Ruhe spürbar, von Schlaf und Frieden zwischen Linnen und Seidenkissen. Geborgenheit, Entspannung, Wärme sind zu fühlen und endlich käuflich zu erwerben. Aber auch die Befriedigung eines anderen elementaren Bedürfnisses scheint hier garantiert. Sprechen wir es ruhig aus: Es ist der Hunger. Der Hunger nach Lust, nach Sinnlichkeit, nach Luxus, kurzum – nach viel mehr Liebe. Was mag das kosten?

Das Bett. Hier soll alles gut sein. Insel der Seligkeit. Im allgemeinen eins sechzig mal zwei Meter. Luftschiffen gleich liegen sie im unteren Bereich der großen Bettenhäuser vor Anker. Eines neben dem anderen. Pompöse Bauten mit Himmel, funkelnde Karosserien, leichtmetallisch. Verchromt der Rahmen, silbrig glänzend das Gestänge. Dazu in lachsrosa Seide kleine Kissen, wie zufällig fallen gelassene, quadratische Wölkchen auf einer tiefdunkelblauen Decke. Nichts ist zufällig. Schon gar nicht im Bett. „Bitte nicht berühren! Ausstellungsstück!“ Das Modell kann auf Wunsch vergoldet geliefert werden und heißt „Queen Medica“, denn es ist nicht nur luxuriös, sondern auch noch gesund. Die Matratze jedenfalls soll es sein. Daneben atmet klarlackierte Kiefer, bedeckt mit frühlingsfrischen Textilien, das Bett mit dem grünen Punkt. Im Preis herabgesetzt. Etwas teurer das Bambusbett: ein überdimensionales Körbchen für zwei Erwachsene.

Bei allen Betten ist das Kopfende am ausdrucksstärksten gearbeitet. Wie sich hier der Bogen wölbt, wie der Schwung verläuft, gespannt in einer Linie oder sich aufschnörkelnd zur Mitte hin, will Ausdruck sein von Harmonie und Süßigkeit. Das ist wohl aus der alten Blumengirlande geworden, mit der einst bräutliche Betten geschmückt wurden. Damals für die erste Nacht. Heute für immer. „Das ist“, sagt der Verkäufer und streicht dabei geradezu werbend mit der Hand über gesteppten Klatschmohn, „für die Ewigkeit, gnä' Frau.“

Schwere Eiche mit Besucherritze? Sei nicht mehr gefragt, ist die Auskunft. Und die Bettumrandung? Diese als schmaler Teppich verlaufende Abgrenzung, einem vom Ehemann gezogenen Burggraben gleich? Sie gehört ins Museum! Allein Nachtschränke gibt es noch, wenn sie auch ihre ursprüngliche Aufgabe, Nachttopf und Bibel zu bergen, nicht mehr erfüllen.

Der Abteilungsleiter kommt herzu. „Das Bett“, klärt er auf, „ist integrierter Bestandteil der Wohnlandschaft“ und werde nicht mehr verborgen. „Das Bett darf sich jetzt sehen lassen und, was dazugehört, auch. Es ist das Prunkstück und nicht die Tabuzone“, holt er großartig aus, und man beginnt um ihn und seine Rückzugsmöglichkeiten zu fürchten.

Die Kunden, gleichwohl aufgeklärte Menschen von heute, nähern sich diesen ruhenden Lagerstätten leise und diskret. Hier sind ihre Schritte verhaltener als in der Abteilung für Bettwäsche oder Lampen. Es geht ja um mehr als bloß um den Erwerb einer Couch oder eines bequemen Sessels. Die Annäherung an dieses begehrte Objekt ist von Vorsicht begleitet, von Zurückhaltung. Darf das Bett berührt werden? Darf man sich darauf setzen und ein bißchen auf und ab wippen?

„Legen Sie sich doch einfach mal hin“, sagt der Verkäufer. Der Satz hat etwas: So ermunternd und freundlich, ja, geradezu verständnisvoll für das, was nun kommt: Das Ehepaar erstarrt. Dann lacht der Mann verlegen auf und sagt, ganz in Deckung: „Ja, Edith! Leg dich doch mal hin.“ Sie sieht auf ihren Mann und dann auf den Verkäufer. Sie setzt sich auf die Bettkante, die Handtasche auf dem Schoß. Jetzt lächelt sie und blickt zu dem Verkäufer auf. Sie ist im Begriff, es zu tun. „Mit Schuhen?“ fragt sie. „Können Sie ausziehen“, sagt der Verkäufer. Sie liegt schon.

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