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Wie die CDU die Grünen übertrumpfen kann

■ SPD will so lange mit der GAL verhandeln, bis die CDU Bonn-Bons bietet

Das Regierungsglitzern in den Augen der GAL-Fraktionschefin Krista Sager war unübersehbar. Bestens gelaunt ging sie nicht nur in die Verhandlungen mit der SPD am vergangenen Samstag im DGB-Haus, sondern war auch nach sechs Stunden „Sondierungsgesprächen“noch zu Scherzen aufgelegt. „The king was not amused“, wußte Sager zum Beispiel über den designierten Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) zu berichten, als hinter verschlossenen Türen die Sprache auf den schwarzgrünen Beschluß kam, das neue Bezirksgesetz zu kippen.

Die beiden Verhandlungskommissionen hätten „alle Knackpunkte diskutiert“, sagte Runde. Dabei hätten sich „keine Differenzen, die unüberbrückbar wären, aufgetan“, ergänzte Sager. Im Gegenteil, es gebe „eine ganze Reihe von Themen, wo man gemeinsam Akzente setzen könnte“. Die dürften vor allem in der Jugend- und Sozialpolitik liegen, nicht aber in der Ausländer-, Hafen- und Umweltpolitik.

Fest steht unterdessen, daß Runde und Parteichef Kuhbier dem SPD-Landesvorstand heute abend empfehlen werden, zunächst mit der GAL Koalitionsgespräche zu führen. Doch das könnte sich flugs ändern, wenn die CDU den SozialdemokratInnen Verhandlungsmasse aus Bonn anbieten kann.

Denn: Die SPD erwägt durchaus ernsthaft eine große Koalition. Runde hatte dies bereits mit der Bemerkung, daß die „Handlungsfähigkeit“der Politik wieder sichtbar werden müsse, angedeutet. Er verlangt deshalb von der CDU, sich in Bonn für eine „kleine Steuerreform“einzusetzen. Konkret ist damit der Vorstoß des Bonner CDU-Fraktionschefs Wolfgang Schäuble gemeint. Könnten die großen Parteien mit Hamburger Nachhilfe doch noch die Blockade aufheben, wären die positiven Folgen – glaubt die SPD – auch in der Hansestadt schnell spürbar. Die Senkung der Lohnnebenkosten würde sich unmittelbar auf den desolaten Arbeitsmarkt auswirken. Und das wäre „ein Zeichen für die ganze Republik“, heißt es aus Parteikreisen.

Die Hamburger CDU müßte sich dabei nicht einmal verbiegen. Fraktionschef Ole von Beust wie auch anderen CDU-Spitzenpolitikern stinkt die bundespolitische Unbeweglichkeit seit langem. Gelingt es ihnen, die Bonner zum Einlenken zu bewegen, wäre das ein Pfund, mit dem sie bei der SPD wuchern und rotgrüne Verhandlungen sofort sprengen könnten. Die Hamburger Bundesratsstimmen, von denen die SPD-Mehrheit abhängt, müßte die CDU allerdings uneingeschränkt der SPD überlassen.

Umgekehrt wollen die Sozis nur dann ein rotgrünes Bündnis beschließen, wenn gewährleistet ist, daß Koalitionsgezänk den Wechsel in Bonn nicht gefährdet. Denn da gemeinsame rotgrüne Programmatik im Bereich sozialer Gerechtigkeit erst mit veränderten Rahmenbedingungen auf Bundesebene machbar wären, ist die Ablösung Kohls vorrangiges Ziel. Wichtige grüne Eckpunkte, etwa Atomausstieg oder Asylpoltik, müßten demnach zurückgestellt und nach der Bundestagswahl neu verhandelt werden. Silke Mertins

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