■ Mit dem Abfallrecht auf du und du: Transparenz entsorgt
Berlin (taz) – Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sollte durchschlagende Verbesserungen bringen: mehr Effizienz und Transparenz bei der Müllverwertung und -beseitigung zum Beispiel. Aus Sicht von Umweltministerin Angela Merkel (CDU) ist das Ziel, ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, ein gutes Stück nähergerückt. Zu anderen Einschätzungen kommen die zahlreichen Kritiker des neuen Abfallrechts.
Eine wesentliche Änderung brachte das Kreislaufwirtschaftsgesetz für Industrie und Gewerbe: Ihnen wurde mehr Eigenverantwortung für ihren Müll eingeräumt. Die Umweltministerin sah gestern gerade hier Grund zum Frohlocken: „Die Vermeidung von Abfällen vor allem im Produktionssektor und die Verwertung von Abfällen in praktisch allen Bereichen haben deutliche Zuwächse.“
Die Kritiker werten die selben Daten ganz anders. Die Abfallverwertung von Gewerbebetrieben sei kaum zu kontrollieren, stellt Gudrun Both vom Öko-Institut in Darmstadt fest. Der abfallpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Rochlitz, kommt zu dem Ergebnis, daß das gesamte neue Abfallgesetz ein „Etikettenschwindel“ bleibe. Müllvermeidung, oberster Grundsatz im reformierten wie im alten Gesetz, finde nach wie vor nicht statt. „Verbrennung wird als Kreislaufwirtschaft betrachtet und Beseitigung untertage gar als stoffliche Verwertung.“
Während die Umweltministerin in Bonn schwärmte, daß das Kreislaufwirtschaftsgesetz die Kommunen „von der Last der Entsorgung“ befreie, legten Kritiker den Finger gerade auf diese Wunde. Denn seit Gewerbebetriebe ihren Müll nicht mehr zwangsläufig der öffentlichen Müllentsorgung überantworten, sind die teuer erkauften Müllverbrennungsanlagen und großzügig dimensionierten Deponien nicht mehr voll ausgelastet. Viele Kommunen haben begonnen, ihre Gebühren zu senken, damit mehr Müll in die Anlagen kommt – sehr zum Unwillen der Privatentsorger.
Der Umweltministerin wiederum paßt nicht, daß Länder und Kommunen mit Erlassen versuchen, Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes zu umgehen. Dagegen sieht Gudrun Both vom Öko-Institut Darmstadt in der Stärkung öffentlicher Kontrollbefugnisse eine Chance, das Abfallrecht wirksam umzusetzen. Auch Umweltexperten der SPD-Bundestagsfraktion forderten gestern in einer Anhörung, das neue Abfallrecht nachzubessern: durch klare Kriterien für Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen. gg
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