Strohm und die Sinnkrise

■ Thorsten Näter verfilmt Klaus Löwitsch in "Napoleon Fritz" (heute, 20.15 Uhr, ARD)

Daß der Filmtitel „Napoleon Fritz“ lautet, hat weniger mit der Story zu tun als mit kleinem Wuchs und dem Drang nach Höherem. Beides hat der Wiener Mime Klaus Löwitsch auf seine Weise mit dem Franzosenkaiser, aber auch mit dem Preußenkönig gemein. Und wer verleiht heute noch Denkmalswürden, wenn nicht das Fernsehen?

Aber was kann man dort noch werden, wenn man schon alles war, vor allem aber fünf Staffeln lang (und auf N 3 zur Zeit samstags immer noch) Klaus-Peter Löwitsch- Strohm? „Potentat“, sagt Löwitsch, „als führende Persönlichkeit der Unterwelt“, denn „im Grunde waren die Potentaten von fürher auch nichts anderes als Schwerverbrecher“.

Der Film war seine Idee. Äußerlich geht es in dem Opus also um organisiertes Verbrechen, Drogenhandel, Glücksspiel, Prostitution, Bandenkrieg, Russenmafia. Es wird geballert, gemordet, gebrandschatzt, was das Zeug hält. Auch Polizei und Justiz sind – beiläufige Botschaft: der Zweck heiligt die Mittel – stramm kantherisiert und überhaupt nicht zimperlich. Der einschlägig vorbelastete Storyvielschreiber Peter Zingler – allein zehn „Tatorte“, fünf „Ein Fall für zwei“ und drei „Peter Strohms“ – konnte sich richtig austoben.

Tatsächlich handelt es sich aber – und das erst erklärt die Überlänge von bald 180 Sendeminuten – um eine Verfilmung von Klaus Löwitsch himself. Das hat der inzwischen 61jährige Tänzer, Theaterschauspieler und Fassbinder- Star („Welt am Draht“, „Die Ehe der Maria Braun“) seinem Regisseur Thorsten Näter irgendwie osmotisch vermittelt. Näter, der noch fast jedes Drehbuch nach eigenem Gusto umgemodelt hat, erklärt: „Nie hat mir ein Darsteller in so kurzer Zeit klar gemacht, wie ein Buch verändert werden muß, um ihm zu genügen. Und zwar ohne, daß er überhaupt über das Buch gesprochen hätte, sondern durch sein bloßes Dasein.“

Auf diese Weise entstand ein „intimes Dreiecksverhältnis“, Napoleon Näter Löwitsch oder Klaus Thorsten Strohm, so „daß am Ende ganz viele Vorschläge, die wir uns gegenseitig machen wollten, vom anderen schon genau in der Form gedacht worden waren“.

Dreimann Löwitsch ist auf Männer-Sinnsuche – im fernen Osten, wo die Zukunft liegt, auch geistig. „Napoleon Fritz“ ist weder Napoleon noch Fritz, sondern so etwas wie ein Samurai – nur nobler ausgestattet: mit Zen- Garten vor dem schwerbewachten Anwesen, kultiviertem Ambiente und in feinem Designer- Zwirn, der natürlich von einem Japaner, nämlich Yamamoto, stammt.

In inneren Monologen meditiert er zwischen Mord und Totschlag unentwegt über Macht, Kampf und Tod. Laotse-Weisheiten träufeln eine um die andere aus dem Off, es dämmert ihm was: „Ein großes Land regieren ist wie kleine Fische braten: man muß dabei behutsam sein. Vielleicht habe ich diesen Grundsatz zu oft mißachtet.“ Bis er am Ende zu tiefster Einsicht gelangt: „Wenn ich nicht wüßte, daß ich immer schon tot war“, spricht er, ersterbend in perfektem Japanisch, „würde ich jetzt den Verlust meines Lebens beklagen.“

Aber nicht doch, Klaus-Peter. Ulla Küspert

Teil 2 folgt am Freitag, den 10. Oktober, um 20.15 Uhr