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Der rotgrüne Poker um die Piepen

■ Heute beginnen die rotgrünen Koalitionsverhandlungen. Es ist der vierte Versuch, doch dieses Mal soll es wirklich klappen. Die höchsten Hindernisse sind längst von der Realität beiseite geräumt. Wie ein rotgrüner Senat das wenige Geld auszugeben gedenkt, wird einer der schwierigsten Verhandlungspunkte sein.

An welchen Sachthemen kann es knacken zwischen SPD und GAL, und wie könnten Kompromisse oder gar Übereinstimmungen aussehen? Die taz hamburgverrät's.

Genau wie die GAL will auch Ortwin Runde (SPD) die Drogenszene nicht von einem Wohnviertel ins nächste treiben. Die GAL wird ohne große Widerstände mindestens zwei weitere Fixerräume durchsetzen. Repressionen gegen Dealer lehnen auch die Grünen nicht ab, wenn sie nicht mit polizeilichen Übergriffen einhergehen. Wie im (seinerzeit rotgrünen) Frankfurt wird man sich auf eine Auflösung bzw. Zurückdrängung der offenen Drogenszene – flankiert von Hilfsangeboten – einigen.

Die jetzige harte Linie in der Migrations- und Flüchtlingspolitik ist auch in der SPD umstritten. Die GAL plädiert für eine Ausnutzung aller gesetzlichen Spielräume. Auf Druck der GAL wird mit dem Kanther-Kuschelkurs Schluß sein. Abschiebungen wird's geben (Bundesgesetz), aber auch Verbesserungen etwa in der Bosnienpolitik, bei der Vermenschlichung der Ausländerbehörde und der Integrationspolitik. Konflikte um straffällig gewordene MigrantInnen sind programmiert.

Die SPD setzt auf stärkere Repression, die GAL legt größeren Wert auf Polizeipräsenz auf der Straße und die Bekämpfung von Alltagskriminalität. Auf einen Polizeibeauftragten und „Sicherheitskonferenzen“(GAL-Forderungen) wird man sich ebenso einigen können wie auf Reformen, beispielsweise eine progressivere Ausbildung der Beamten. Schärfere Gesetze werden mit der GAL nicht zu machen sein. Die Innenbehörde aber wird in SPD-Hand bleiben.

Die GAL wird für einen humaneren Strafvollzug streiten, die SPD wird ihren guten Willen bekunden und, wenn's konkret wird, jegliche Neuerung aus Geldgründen abblocken. Die Justizverwaltung wird in den kommenden Jahren umstrukturiert, was am Reformprojekt „Justiz 2000“liegt und längst auf den Weg gebracht ist. Einig ist man sich darin, daß die Abwicklung von Strafverfahren beschleunigt werden muß. Gerade im Bereich der Jugendkriminalität.

Die Wiedereinführung von geschlossenen Heimen ist mit dem Rücktritt Voscheraus vom Tisch. Dennoch werden SPD und GAL das jetzige System einer kritischen Prüfung unterziehen und Alternativen zur abgeschafften „Besserungsanstalt“ersinnen. Die GAL wird durchsetzen, daß die 98 Prozent nicht-kriminelle Jugendlichen wieder im Mittelpunkt stehen. Jugendarbeit wird ausgebaut (Öffnungszeiten, Straßensozialarbeit). Sowohl Ortwin Runde als auch GAL wollen Mittel zugunsten von Ausbildungsplätzen umschichten.

Die GAL will wesentlich heftiger in diesen Bereich investieren als bisher die SPD. Insbesondere benachteiligte SchülerInnen sollen stärker gefördert werden. Die Einführung der verläßlichen Halbtagsgrundschule möchten die Grünen auf vier Jahre strecken und so 50 Lehrerstellen sparen. Im Prinzip keine großen Differenzen; der Teufel sitzt im Detail.

Die SPD will von der Förderung der Großindustrie inklusive Grünflächenopferung nicht ablassen und entscheidet sich im Zweifelsfall für Arbeitsplätze und gegen Umwelt. Die GAL setzt hingegen auf kleine und mittelständische Unternehmen (nur dort entstünden Arbeitsplätze) und innovative Branchen, insbesondere im Umweltbereich. Mit Runde wird man neue Wege ausprobieren, eventuell den Zweiten Arbeitsmarkt reformieren. Konfliktpunkte sind zahlreich. Bei der möglichen DASA-Erweiterung wird man ganz genau einen Flächenkompromiß (soundsoviel Quadratmeter und nicht mehr) festschreiben müssen.

Der Haushalt ist rotgrüner Sprengstoff. Ein echter Knackpunkt ist angesichts der verzweifelten Haushaltslage der Verkauf von weiteren HEW-Anteilen. Die GAL will den energiepolitischen Einfluß nicht verlieren und lieber Grundstücke beleihen oder die Landesbank verkaufen.

Die Hafenerweiterung in Altenwerder ist kein Streitthema mehr – das Biotop ist unwiederbringlich zerstört. Umso intensiver wird die GAL darauf drängen, die Stadtteile Francop und Moorburg aus dem Hafenerweiterungsgebiet herauszulösen. Einigungsmöglichkeit: Die GAL nickt die Hafenerweiterung ab, wenn sie nicht aus den Erlösen der Hafen-City-Grundstücke finanziert wird. Die grünen Forderungen, sparsamer mit Flächen umzugehen, marktübliche Mieten zu verlangen und Subventionen abzubauen, wird die SPD nicht einfach abschmettern können: Denn im Hafen schlummern erhebliche Einsparpotentiale.

Einig sind sich GAL und SPD, daß neue, günstige Wohnungen gebraucht werden. Die Grünen wollen das durch Nachverdichtung erreichen, die SPD setzt eher auf Großwohnsiedlungen wie Neu-Allermöhe. Zu erwarten ist ein Kompromiß, wonach geplante Neubausiedlungen wie Neugraben-Fischbek abgespeckt und soziale Infrastruktur (Schulen, Kindergärten, Läden) etwa zeitgleich mit dem Wohnungsbau entstehen. Im Streit um den Gewerbeflächenfraß könnte sich die GAL mit der Forderung durchsetzen, häufiger mehrgeschossige Bebauung vorzuschreiben.

Den jahrelangen Streit um den Elbtunnel haben Bagger, Bund und Gerichte im SPD-Sinne entschieden: Der Bau der vierten Röhre ist nicht mehr rückgängig zu machen und daher bestenfalls noch Verhandlungsmasse, um weitere Großprojekte wie die Hafenquerspange hinauszuzögern. Straßenbahn, mehr Anwohner-Parken und einen Deckel über die A 7 wollen sowohl GAL als auch SPD. Die Frage der Realisierung ist ein Streit um Zeitplan und Finanzmittel. Zu erwarten ist auch, daß Einbahnstraßen-Fahrverbote und andere Radfahrer-Schikanen aufgehoben werden. Scheitern dagegen dürfte die GAL mit ihren Forderungen, die Flugbewegungszahlen in Fuhlsbüttel auf das Niveau der 70er Jahre zu begrenzen, den Transrapid zu verhindern und durch eine restriktive Parkraumpolitik mehr Autofahrer zum Umsteigen auf Busse und Bahnen zu bewegen.

Im tiefsten Innern ist auch den Grünen klar, daß sie die Elbvertiefung nicht mehr verhindern können. Richtungsänderungen sind dagegen im Naturschutz möglich. Mit Unterstützung einer ökologischen Landwirtschaft etwa wäre es möglich, wirtschaftliche Nutzung und ökologischen Qualitätserhalt (bzw. –wiederherstellung) freier Flächen unter einen Hut zu bringen. In Sachen Abfallpolitik ist kaum mehr etwas zu retten. Die Milliarden-Investitionen in Abfallöfen, von Privatunternehmen betrieben, legen den Entsorgungsweg für die nächsten zehn Jahre weitgehend fest.

Daß sie in Sachen Atompolitik nicht viel reißen kann, hat die GAL schon vor der Wahl eingestanden. Zu dicht ist hier das Vertragsgeflecht zwischen den Atomkonzernen HEW und PreussenElektra. Einzig in Brunsbüttel könnte der Betreibervertrag in den nächsten beiden Jahren gekündigt werden. Und genau das wird die GAL auch durchzusetzen versuchen. Die Chancen sind nicht schlecht. Erst wenn die GAL Einblick in die aktuellen Verträge erhält, kann sie ihre Ausstiegstaktik konkretisieren.

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