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Gute Laune ist käuflich

■ Einmal Monster sein: Das Kindertheater ATZE mit seinem „Zauberkoffer“ im HdKW

Tom und Christin sind ein ungleiches Paar. Während sie aus jeder Pore Lebensfreude atmet, schaut ihr schlaksiger Freund reichlich trübe in die Welt. Zum Leben fehlt ihm der rechte Schwung, und schon der morgendliche Blick in den Spiegel reicht aus, um ihm den Tag ordentlich zu vermiesen. Ja, wenn er reich wäre und gute Laune käuflich ...

In der neuen Produktion des Kreuzberger Kindermusiktheaters ATZE finden Tom und Christin einen „Zauberkoffer“, zauberhaft bunt, mit neongelben Sternen. In diesem Koffer aber steckt ein rechter Gauner: Patou, der Bandit, läßt zwar Toms Wunsch Wirklichkeit werden und erfüllt auch Christins Sehnsucht nach ewiger Freundschaft. Doch schon bald entpuppt sich ersteres als schnöde Leihgabe und zweiteres als gar nicht mehr so erstrebenswert.

Auf ihrer turbulenten Odyssee durch Aktienkurse, Schuhgeschäfte und exotische Länder entwickelt sich Tom (Stefano Papagini) zum nölenden Kotzbrocken mit Handy und gerümpfter Nase. Seinen zweifellos schönsten Auftritt hat er in der Wüste: Unter einem bunten Schirm und undefinierbarer, herrlich schief sitzender Kopfbedeckung kippt er sich genüßlich das letzte Wasser in sein offenes Hemd, während die halb verdurstende Christin ihm dabei zusehen darf. Damit hat das reiche Ekel verdientermaßen die Lacher der Erwachsenen wie die Wut der Kinder auf seiner Seite. Höchste Zeit, daß Patou ihm den verhängnisvollen Reichtum mit einem wirklich pfiffigen Trick wieder abluchst.

Freilich: Die Story ist alt und ihre Moral von märchenhafter Einfachheit – Mensch kommt zu Geld, wird zum Monster, verliert Freundschaft. Monster verliert Geld, wird wieder Mensch, gewinnt Freundschaft zurück – doch wird die Geschichte hier wirklich bezaubernd umgesetzt. Mal als liebenswert keifende Anstreicher, mal als schreitende Barden oder rockende Scheichs singen, tanzen und spielen die fünf Darsteller mit Charme und Bravour.

Das musikalische Spektrum reicht von heißen Samba-Rhythmen bis zur melancholischen Ballade, und Text wie Inszenierung sind erfrischend frei von kindertümelndem Geraspel und pseudoaufklärerischer Rotzigkeit. Auch das schwierige Miteinander von Handlungsverlauf und Musikeinlagen ist perfekt harmonisiert (Regie: Doris Heiland). Eine schöne Ensembleleistung mit raffinierten optischen und akustischen Details. Sabine Leucht

12. bis 15., 29. und 30. Oktober, 10.30 (So 15.30 Uhr) im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster- Dulles-Allee 10. Weitere Termine und Vorbestellungen: 6145244

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