■ Querspalte: Berliner Namenswechsel
Berlin ist eine Weltstadt. Sagen die Berliner. Eine Weltstadt hat natürlich auch eine Weltzeituhr. Die steht auf dem Alexanderplatz. Dort dreht und dreht sich das metallene Ding seit über zwei Jahrzehnten. Nun muß die Weltzeituhr wie jedes gute alte Ding bald in Reparatur. Dagegen wäre nichts einzuwenden, ja, es ist zu begrüßen. Doch die Weltzeituhr hat einen Makel: Sie wurde von der SED aufgestellt. Folglich wurden auf den Außenwänden vor allem Städtenamen des realsozialistischen Lagers angebracht. Moskau natürlich, aber auch Leningrad, Alma Ater, Swerdlowsk, Managua, Havanna und noch viele mehr. Das liest sich heute wie das „Who's Who“ einer untergegangenen Epoche. Die Uhr ist also ein historisches Lehrbeispiel allererster Qualität, sozusagen auf jenen Höhen, die die DDR stets anstrebte, Weltniveau eben. Nur leider, leider hat Berlin einen Bausenator namens Jürgen Klemann. Dessen Welt ist so eng wie der Bezirk, aus dem der Christdemokrat sich bis an den Regierungstisch emporgedient hat: Zehlendorf. Nichts gegen Zehlendorf. Ein schöner Bezirk ist das im Westen der Stadt, mit viel Grün und vielen schnuckeligen Reihenhäusern. Nun will Klemann bei der Überholung der Uhr gleich ein paar Namen schleifen lassen. Die Schreibweise, belehrte er jüngst seine Kritiker, stimme nicht mit der westlichen überein. Und überhaupt heiße Leningrad ja heute wieder St. Petersburg.
Die Welt kann groß sein. Widersprüchlich, gegensätzlich. Für manche aber ist sie einfach nur klein, sehr klein. Vielleicht sollte Klemann tatsächlich die Uhr ummodeln. Dann aber mit den Ortsnamen der christlich-demokratischen Wertegemeinschaft: Oggersheim (Helmut Kohl), Rhöndorf (Konrad Adenauer), Wildbad Kreuth (CSU-Konferenzen). Nur die Stadt Ahlen aber sollte tunlichst nicht aufgeführt werden. Bekanntlich verabschiedete die CDU 1947 dort ein Programm, das die Vergesellschaftung von Großbetrieben und Banken forderte. Deshalb hätte Ahlen besser auf die DDR-Uhr gepaßt. Severin Weiland
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