: Japanische Innenansichten
■ Studenten der FU bringen eine japanische Tageszeitung in deutscher Kurzversion heraus
Sushi und Karaoke sind in Deutschland längst nicht mehr unbeannt, Tamagotchi ist ein Verkaufsschlager und japanische Comics werden immmer beliebter. Was aber wissen wir von Japan? Warum sind rosa Handys bei japanischen Frauen so gefragt? Was geht gerade ab in Tokio? Welches Unternehmen rutscht dort in die Krise, welches Spielzeug ist gerade hip, welches Fernsehtalent umschwärmt?
Fragen, auf die sich in Deutschland nur schwer eine Antwort geben läßt. Die beste Quelle ist sicher die Asahi Shimbun, mit einer Auflage von acht Millionen Japans wichtigste Tageszeitung. Aber die gibt es nur auf japanisch? Falsch. In einem kleinen Universitätsinstitut in Dahlem wird an einer deutschen Ausgabe der Asahi Shimbun gebastelt: „Asahi Shimbun/Dahlemer Ausgabe“ (ASD).
Etwa 450 Studierende plagen sich derzeit am ostasiatischen Institut der Freien Universität (FU) mit der Sprache, der nachgesagt wird, die schwierigste aller lebenden Sprachen zu sein: Japanisch. Das liegt an den unzähligen geschlechts- und statusspezifischen Ausdrucksweisen – eine Frau muß einen Satz zum Beispiel ganz anders formulieren als ein Mann – und an den ausgeprägten Unterschieden zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache. Die Studierenden müssen schließlich erst lernen zu lesen und zu schreiben. Drei grafisch unterschiedliche Schriften wirken im Japanischen zusammen: zwei Silbenalphabete und die malerischen „Kanji“, die ursprünglich den chinesischen Schriftzeichen entlehnt wurden. Rund 2.000 Kanji sind unbedingt notwendig. Ohne beständiges Üben geht da gar nichts.
Dem Sprachlektor Detlef Foljanty kam schließlich die Idee, eine japanische Tageszeitung zu übersetzen. In einem 1991 begonnenen Projekttutorium führte er die Studenten schrittweise an die Zeitung heran. Das Projekt hat viele Vorteile: Zum einen üben sich die Studierenden in der Sprache, zum anderen ist die Zeitung auch für sie selbst eine hervorragende Informationsquelle, für alles, was in Japan geschieht.
Die Artikel werden unter Anleitung übersetzt und redigiert. Dann wandern sie aber nicht nur ins persönliche Archiv. Sie werden nach verschiedenen Kategorien zusammengestellt und zum Selbstkostenpreis veröffentlicht.
Inzwischen hat die ASD einen festen Abonnentenkreis von rund 260 Lesern. Sie will deutschsprachigen Japan-Interessierten ein umfassendes und differenziertes Bild des fernöstlichen Landes vermitteln – japanische Innenansichten. Beiträge über Politik, Soziales und Wirtschaft sind ebenso zu finden wie Artikel über Obdachlose, Forschung, Umwelt oder Sport. Der Vorteil für den Leser: Die Artikel werden gekürzt, nicht aber inhaltlich geändert. So wird erkennbar, wie die Japaner selbst argumentieren.
Die etwa 25seitige Zeitschrift im Format DIN A5 erscheint alle 14 Tage, in den Semesterferien als Doppelnummer einmal im Monat. Seit November vergangenen Jahres gibt es neben der Printausgabe eine Online-Version. Unter http:// www.japonet.de können sich Interessierte einklinken. Ein Teil der Artikel wird hier neben dem vollständigen Inhaltsverzeichnis kostenlos publiziert. Ein Online- Abonnement ist ebenfalls möglich. Lisa Marvell
Infos: Detlef Foljanty, Tel.: 8383599
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