piwik no script img

Odysseen ohne Alternative

Ungewisses Schicksal für Bauwagenplätze in Altona. Wann immer ein Investor will, werden BewohnerInnen vertrieben  ■ Von Elke Spanner

Noch ist es ein halbes Dutzend. Altona ist eine Großbaustelle. Überall wird gebaut, gebohrt, untertunnelt und überbrückt. Doch je mehr Baulücken geschlossen werden, umso geringer wird die Zahl für Bauwagenplätze, die außer in diesem Bezirk ohnehin nur noch vereinzelt in Hamburg existieren. Im Norden gibt es einen kleinen Platz in der Hospitalstraße, einen weiteren gleich nebenan am August-Lütgens-Park in der Karl-Wolf-Straße. Hinter der Johanniskirche an der Max-Brauer-Allee versteckt leben Menschen in Bauwagen, ebenso im Volkspark. In Ottensen gibt es rollende Unterkünfte noch in der Gaußstraße und auf den Zeisewiesen.

Nun wird, wie vom Bezirksamt angekündigt, der aus nur vier Wagen bestehende Platz am August-Lütgens-Park geräumt. Die BewohnerInnen wissen noch nicht wohin, denn Verhandlungen über ein Ausweichquartier laufen jetzt erst an (taz berichtete mehrfach). Klar ist nur eines: Zum Umzug gibt es keine Alternative. Das bekamen schon fast alle BewohnerInnen rollender Unterkünfte zu spüren. Ihnen ist gemeinsam, daß sie eine Odyssee bereits hinter sich hatten, als sie den jetzigen Stellplatz bezogen. Gemeinsam ist ihnen aber auch, daß es nicht ihre letzte Station sein wird. Denn die „Altonaer Linie“sieht vor, daß Bauwagen vom Platz rollen müssen, wenn dieser bebaut werden soll.

In Sicherheit wiegen können sich im Moment nur der Frauenbauwagenplatz an der Johanniskirche, der gemischte Platz am Hellgrundweg im Volkspark und die Bauwagen in der Hospitalstraße. Ihre Grundstücke sind nicht von der Bebauung bedroht. Hinter der Johanniskirche leben Frauen auf einem kirchlichen Grundstück. Im Volkspark haben zwischen dreißig und vierzig Männer und Frauen ihr Quartier. Für sie gibt zwar es keine Anzeichen, daß ihre Uhr bald abgelaufen sein könnte. Wird jedoch die geplante Arena tatsächlich und in der angepeilten Größe hochgezogen, dürfte es für sie ungemütlich werden im Volkspark. Die aus der Hospitalstraße müssen zur Zeit notdürftig auf einem Parkplatz leben. Ist die Tiefgarage unter ihrem Platz jedoch fertiggestellt, ziehen sie auf ihr altes Areal zurück.

Ein Umzug steht hingegen für zahlreiche Punks in der Gaußstraße an. Der Platz entstand, als die Bauwagen auf dem Kemal-Altun-Platz 1992 einem Neubau weichen mußten. Für rund 50 Personen mietete der Bezirk Altona in der Gaußstraße ein Grundstück an und finanzierte sogar sanitäre Anlagen. Doch aus den 50 BewohnerInnen wurden im Lauf der Jahre über 100, auch der Platz weitete sich aus. Nun soll er wieder eingedämmt werden. „Die neuen Wagen stehen auf einem ausgewiesenen Gewerbegebiet“, erklärt Klaus Leven, Rechtsdezernent im Bezirksamt. „Die Fläche wird bebaut.“

Mehrere Interessenten liebäugeln bereits mit dem Grundstück, einige BewohnerInnen haben bereits ihre Wagen aufgegeben und sind in Wohnungen gezogen. Der Rest will bleiben, wie die Straßensozialarbeiterin Katrine Hoop weiß. Sie bedauert, daß die soziale Leistung der „Bauis“von der Politik verkannt werde: „Dort leben viele höchst unterschiedliche Menschen. Es werden auch viele mitgetragen, die anderswo kaum zu integrieren wären.“Um die Zukunft des Platzes zu klären, trifft sich regelmäßig ein Runder Tisch. Bei der nächsten Sitzung Ende Oktober soll auch über die ungewisse Zukunft gesprochen werden.

Umziehen müssen ebenfalls bald die rund 10 BauwagenbewohnerInnen auf der Zeisewiese. Auch sie kommen ursprünglich vom Kemal-Altun-Platz. In der Diskussion war, sie in die geplanten Neubauprojekte, für die bereits die Bauanträge gestellt sind, auf ihrer Wiese zu integrieren. „Sie könnten in die dortigen Wohnungen mit einziehen oder eine eigene Stellfläche auf dem Terrain bekommen“, schwebt Leven vor. Wahrscheinlicher ist allerdings, daß die Wagen demnächst von der Wiese rollen müssen. Im Gespräch ist ein Ausweichquartier an der Stresemannstraße.

Doch wenn auch kurzzeitig Kompromißlösungen für alle Plätze gefunden werden können: Die Freiflächen werden rarer, und damit auch die Chance, in Altona dauerhaft im Wagen zu leben. Auch die als liberal geltende „Altonaer Linie“ist nicht auf Dauer angelegt. „Was langfristig wird, weiß man nicht“, deutet auch Leven an. Die einzige Möglichkeit, auch in Zukunft in Altona im Wagen zu leben, wäre, das Hamburgische Bauwagengesetz zu ändern, das das Leben in den rollenden Unterkünften verbietet. Die GAL im Bezirk kämpft schon lange dafür. Vielleicht bald auch die Bürgerschaftsfraktion?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen