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Wo Ringo in die Karte beißt

Die Beatles kommen nach Rußland. Rund 400 Fotos werden derzeit in Hamburg verpackt und St. Petersburg geschenkt  ■ Von Judith Weber

Jahrelang hat Kolja Vasin heimlich mit den Beatles im Wald gepicknickt. In selbstgetöpferten Herztassen schwamm der Wodka, die verbotene Musik ertönte, und Kolja Vasins Bart war so lang, daß er die John Lennon-Schrift auf seinem T-Shirt berührte. „John Lennon“, erzählte Vazin jedem, der es hören wollte, „John Lennon ist wichtiger als Jesus.“

Denn ohne die Beatles hätte es keine Perestroika gegeben. Da bleibt Vasin fest. Und die Perestroika war wichtig, für Rußland wie für Kolja Vasin. Vor zehn Jahren noch hätten Rußlands KommunistInnen seine Lennon-Parties verhindert; oder die Roy Orbinson-Feten, zu denen niemand ohne Sonnenbrille erscheinen durfte. Nur heimlich auf der Waldlichtung hörte Kolja Vasin Beat-Musik.

Mittlerweile ist sein Bart kürzer geworden. Das Lennon-T-Shirt hat er immer noch, jetzt ganz legal. Und in seinem Souvenir-gemästeten Haus zeigt Vasin die Hamburger Star-Club-Ausstellung und eine Foto-Dokumentation über John Lennon. Rund 400 Fotos werden Ende dieser Woche dort hängen, im „Love&Peace-Tempel“St. Petersburg: Chuck Berry hinter Glas, glänzend schwarz-grau-weiß, und John Lennon mit Haaren, in denen eine Elster genistet haben könnte. Ringo Starr beißt in eine Spielkarte.

„Die Beatles sind dort noch ein weißer Fleck“, sagt der Hamburger Fotoreporter Günter Zint. Er, der John Lennon mehr als 3000 Mal fotografiert hat, bringt die Popgruppe nun nach Rußland. Die Städtepartnerschaft mit Hamburg wird vierzig, und die Hansestadt schenkt Petersburg zum Geburtstag drei Fotoausstellungen.

Auf Zints Tisch preßt John Lennon zwei Gesicher aufeinander. In einem Rahmen an der Wand fährt eine Rolltreppe nach unten rechts, während Russen in überlangen Kunstlederjacken eine Straße entlanghasten. John ist nicht dabei. Die Hauptausstellung des Hamburger Geschenk-Pakets hat mit Musik und Pony-Frisuren nichts zu tun. 300 Fotos Hamburg, Dresden und Petersburg: ihre Bootsanleger, ihre Häkelgardinen und Straßenbäume. Die Partnerstädte mustern sich selbst. „Die Menschen kriegen quasi ihre eigene Stadt gezeigt“, erklärt Günter Zint. Alle Bilder stammen von Hamburger Fotografen, viele von Zint selbst.

Bezahlt hat teilweise die Kulturbehörde. Ihr verdankt St. Petersburg die Ansichten stuckbesetzter Kaufhäuser und gammeliger Kasernen aus beiden Ländern. Das Delphi-Theater spendete die Star-Club-Ausstellung, und der Circus Roncalli verschenkt sämtliche Lennon-Bilder: John mit Helm und Tarnnetz, als er den Film „How I won the war“drehte. John, wie er singt und rockt. John ist wichtiger als Jesus, würde Kolja Vasin wiederholen.

Er trinkt immer noch Wodka aus selbstgetöpferten Herztassen, in Hamburg hat er Vorträge über Lennon gehalten. Und einmal im Jahr, immer am 18. Juni, trifft er sich mit Freunden zum Beatles-Picknick im Wald.

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