: So quillt der Wohlstand
■ Wegweiser für fremde und einheimische Flaneure: Der Bremer Atlantik Verlag gibt jetzt die Reihe „Afrobremensien“heraus
Wenn es so etwas wie eine schriftliche lokale Identität gibt, dann nennt sie sich hier „Bremensien“– die Schriften aus oder über Bremen. Jetzt wird dieser hartnäckige, patriotische Brauch vom jungen Atlantik-Verlag mit der neuen Reihe „Afrobremensien“ganz schön aufgemischt.
„Wir wollen in Bremen und in der BRD lebenden Afrikanern die Möglichkeit geben, mit eigener Stimme zu sprechen und das einem deutschen Publikum nahezubringen“, kündigt Verleger Reinhard Seekamp die neue Reihe an. Er gründete zusammen mit Jürgen Heiser aus der früheren „Agipa-Press“vor gut einem Jahr den Atlantik-Verlag mit Sitz in Bremen-Walle.
Die neue Reihe startet gleich mit zwei Büchern. Das erste, „Afrika in Bremen“vom Pan-Afrikanischen-Forum, ist ein Wegweiser durch Politik und Kultur. In zahlreichen Essays zur Bremer Kolonialgeschichte, einer Einführung in afrikanische Literatur und Musik sowie einer Zusammenfassung der Ideen panafrikanischer Selbstorganisationen im Exil bricht die Bremer Vereinigung mit dem Tabu, nicht andere über sich sprechen zu lassen.
Das zweite Buch schrieb der Kameruner Kolyang Dina Taiwé. Die Veröffentlichung unter dem Titel „... dann ist das Herz verwundet“ist die literarische Betrachtung Bremens mit den Augen eines Fremden. Teils auf herzliche, teils auf schonungslose Art hält er den Einheimischen einen Spiegel vor. „Die Bremer sollen sich in meinen Blicken wiedererkennen“, sagt der 32jährige, der seit zehn Jahren in der Hansestadt lebt und an der Uni arbeitet.
Begegnung unmöglich
Beim Lesen seiner Gedichte und Essays wird sofort ein Zwispalt der hier lebenden EmigrantInnen spürbar. Er äußert sich in einer Sehnsucht nach Heimat und Verständigung. Dabei muß Taiwé die scheinbar unüberbrückbaren Barrieren und die fühlbare Ablehnung nicht mal beim Namen nennen, um die Unmöglichkeit einer wahren Begegnung der Kulturen spürbar zu machen.
Im Gedicht „Sonderangebot“beschreibt Taiwé sehr eindringlich, wie der Wohlstand hierzulande aus den Kaufhausregalen quillt. Drumherum: „Allwissende Anonymität, überzeugende Künstlichkeit, unnatürliche Argumentation, künstliche Bruderliebe, billige Adressen von Ersatzmüttern.“Der direkte Vergleich zwischen „erster“und „dritter“Welt läßt die Aufdringlichkeit des Warenangebots sinnlos und entmenschlichend erscheinen.
Bremen ist in den Augen des fremden Flaneurs eine Stadt der „müdegewordenen Touristen, die die viel zu klein geratenen Stadtmusikanten“bestaunen. Ein Ort mit „traurigen Kindern auf den Straßen; zwischen rollenden Autos“. Eine Stadt, in der Menschen das „Ja der Kulturen“murmeln, obwohl das Wort „Multikultur“zur Hülse geworden ist.
Der Autor wirft einen sehr kritischen und melancholischen Blick auf Bremen. Trotzdem: Über Taiwés Betrachtungen weht dennoch ein Funken Optimismus. Schließlich entdeckt der Flaneur Zeichen einer gemeinsamen Liebe zu Afrika. Monumente und koloniale Architektur bezeugen sie. Aber Afrika und Bremen? Das ist keine Liebes-, sondern eine schwierige Beziehung. Damals wie heute.
Luigi La Grotta
Kolyjang Dina Taiwé: „... dann ist das Herz verwundet“, 126 Seiten, 20 Mark; Pan Afrikanisches Forum (Hrsg.): „Afrika in Bremen“, 144 Seiten, zwölf Mark; beide Bücher sind im Atlantik Verlag erschienen
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen