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■ Chaos in der Ausländerbehörde: Weil eine Weisung aus der Innenverwaltung nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts fehlt, wird die Vergabe von Duldungen zum Glücksspiel

Drei Wochen nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes über die Erteilung von Duldungen an ausreisepflichtige Ausländer herrscht Chaos in der Ausländerbehörde. Obwohl der Behörde das schriftliche Urteil noch nicht vorliegt, hat sie immerhin die vormalige Praxis aufgegeben, Duldungen generell abzulehnen.

Klaus-Jürgen Dahler von der Bürgerinitiative für ausländische MitbürgerInnen Hohenschönhausen betreut einige Vietnamesen, die in den letzten Tagen eine Duldung bekommen haben. Doch dies betrifft eine Minderheit. Die überwiegende Zahl von Antragstellern für eine Duldung werde hingehalten. Wie eine Entscheidung ausfalle, hänge offenbar vom Gutdünken einzelner Sachbearbeiter ab, hat Flüchtlingsberater Dahler festgestellt. „Ein Sachbearbeiter sagte mir, seine Behörde entscheide nach Recht und Gesetz. Eine Weisung der Innenverwaltung liege nicht vor.“

Das Bundesverwaltungsgericht hatte Ende September das Land Berlin dazu verurteilt, in jenen Fällen Duldungen zu erteilen, wenn ausreisepflichtige Ausländer nicht abgeschoben werden können. Hintergrund ist unter anderem die Weigerung Vietnams, Bosniens, Serbiens und anderer Staaten, die eigenen Staatsbürger wieder aufzunehmen.

Auch Dinh Kha und Nguyen Thi Ngoc Lien, abgelehnte vietnamesische Asylbewerber, machten gestern diese Erfahrung, nachdem sie zunächst von einer Stelle der Ausländerbehörde zur anderen geschickt wurden. Neuerdings sei für sie nicht mehr – wie noch vor zwei Wochen – die Stelle in der Streitstraße in Spandau, sondern die Behörde am Friedrich-Krause- Ufer im Wedding zuständig, wurde ihnen mitgeteilt. Die Behörde am Friedrich-Krause-Ufer nahm schließlich den Duldungsantrag an. „Sie hören von uns.“

Das kann bis Weihnachten dauern. Der Sprecher der Innenverwaltung, Thomas Raabe, sagte gegenüber der taz, er erwarte die schriftliche Urteilsbegründung erst in vier bis fünf Wochen. Danach werde eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit der Sozial- und Justizverwaltung gebildet, die die Umsetzung berät.

Rechtsanwalt Dieter Kierzynowski, der das Urteil durchgefochten hat, kritisiert die Vorgehensweise. „Immerhin haben die obersten deutschen Verwaltungsrichter die Praxis, ausreisepflichtige Ausländer ohne Duldung zu belassen, für rechtswidrig erklärt. Ich könnte mir auch vorstellen, daß die Ausländerbehörde den Betroffenen befristete Duldungen bis zu dem Zeitpunkt erteilt, zu dem sie voraussichtlich die Dienstanweisungen erarbeitet hat.“

In einzelnen Fällen hat Anwalt Kierzynowski bereits einstweilige Anordnungen gegen das Land Berlin beantragt. „Besonders Vietnamesen, die seit Jahren in ungesicherten Verhältnissen leben, drängeln jetzt.“ Seine Kollegin Petra Schlagenhauf rechnet ebenfalls damit, in den nächsten Tagen von Mandanten zu erneuten Klagen gedrängt zu werden. Dann kämen auf das Land weitere Prozeßkosten zu.

Nach Schätzungen der Gewerkschaft der Polizei sind bisher durch die seit Jahren rechtswidrig praktizierte Verweigerung von Duldungen dem Land Berlin bereits Prozeßkosten in Höhe von zwanzig Millionen Mark entstanden. Marina Mai

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