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„Wer hier lebt, kann auch mehr zahlen“

Hamburger Volkshochschule streicht Deutschkurse für AusländerInnen  ■ Von Elke Spanner

Eine Gleichstellungspolitik der besonderen Art betreibt die Hamburger Volkshochschule (VHS): „Von den rund 8.000 Ausländern, die bei uns Deutsch lernen, werden bald etwa 2.000 genauso behandelt wie Deutsche“, beschönigte VHS-Leiter Rudolf Camerer gestern die Änderungen, über die am 28. Oktober der Vorstand entscheiden will. Und die bedeuten: AusländerInnen im Fortgeschrittenenkurs „Deutsch als Fremdsprache (DaF)“rutschen ab dem 6. Semester in die reguläre Gebührenordnung rein – und zahlen etwa sechsmal so viel wie bisher.

Zur Zeit kosten die 56 Unterrichtsstunden pro Semester 35 Mark. Sollte der VHS-Vorstand die avisierten Änderungen abnicken, dann macht das ab Januar 200 bis 250 Mark. „Wer in diesen Kursen ist, versteht die deutsche Sprache ausreichend, um sich über Ermäßigungen zu informieren“, ist Camerer überzeugt. Außerdem: „Wer schon so lange hier lebt, hat auch einen Job und kann mehr zahlen.“

Dieser Einschätzung widersprechen allerdings die Zahlen, die sich aus einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der GAL-Fraktion vom September ergeben. Daraus geht hervor, daß zwar 71 Prozent der ausländischen KursteilnehmerInnen über ein eigenes Einkommen verfügen. Bei 44 Prozent liegt dieses jedoch bei unter 1.000 Mark. 28 Prozent verdienen weniger als 500 Mark im Monat. Rund 70 Prozent der KursteilnehmerInnen hätten also einen Anspruch auf Erlaß der gesamten Kursgebühr, rund drei Prozent Anspruch auf eine Ermäßigung.

Eine DaF-Dozentin warnte gegenüber der taz jedoch, daß viele AusländerInnen sprachlich nicht in der Lage seien, die ihnen zustehende Ermäßigung zu beantragen. Ihre Prognose: „Die werden wegbleiben.“Daß der DaF-Bereich aufgrund der einkommensschwachen Klientel defizitär sei, stehe außer Frage. „Früher jedoch bestand der politische Wille, diese Programme dennoch zu fördern.“Heute sei der Wille dem betriebswirtschaftlichen Kalkül gewichen.

Auch das Kursangebot im Bereich DaF soll reduziert werden. Rund 50.000 Mark wurden bereits im abgelaufenen Sommersemester in Außenbezirken wie Kirchdorf-Süd, der Veddel oder Farmsen eingespart. Im kommenden Sommer sollen dann von den knapp 70 einmonatigen DaF-Sommerkursen, die in der viermonatigen VHS-Sommerpause liegen, nur noch rund 15 übrigbleiben. Eine weitere VHS-Mitarbeiterin im Bereich DaF: „Unsere Kurse sind extrem überlaufen. Die Kürzungen sind bitter.“

Für Camerer ist dennoch alles eine Entwicklung hin zum Besseren. Die VHS spiele Robin Hood: „Den Reichen nehmen, den Armen geben“, sei das Prinzip. Denn mit den freiwerdenden Kapazitäten und Geldern wolle die VHS auch Sprachkurse für gutverdienende AusländerInnen anbieten, die geschäftlich nach Hamburg kommen und zur Zeit noch von ihrer Firma in teure private Sprachschulen geschickt werden.

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