Harte Lust

Hau mir in die Augen, Kleines: Eine Beratung für alle, die auf die Sadomaso-Liebe stehen  ■ Von Andrea Hübner

Eine schwarz lackierte Tür in einem schmuddeligen Hinterhof: St. Pauli, Simon-von-Utrecht-Straße. Fast konspirativ liegen hier die Räume des „Sündikats“, ein Zusammenschluß von SadomasochistInnen in Hamburg. Wer klingelt, dem wird von einer Rothaarigen im schwarzen Kleid aufgetan. Im Hinterzimmer sitzt ihr Meister. Der hat dunkles, kurzgeschorenes Haar, trägt Leder und Ketten zu schwarzem Rollkragenpullover.

Matthias Grimme ist 44 und einer der dienstältesten Sadomasochisten im Sündikat. Seit sieben Jahren bedient er das sadomasochistische Beratungstelefon. Die Mehrheit seiner Kundschaft sind heterosexuelle Männer. Denn „die Schwulen“, so Grimme, „sind uns ja um Längen voraus.“

Die meisten seiner Ratsuchenden haben Probleme mit ihrem Coming-out, werden von Phantasien geplagt und haben deshalb Schuldgefühle gegenüber der Partnerin. Aber auch die Ehefrau, die über die Peitsche im Schrank des Gatten gestolpert ist, gehört zu Grimmes Klientel. Andere wiederum wünschen sich eine Verbraucherberatung: Schließlich will die Investition in eine Streckbank gut durchdacht sein.

Für Grimme steht fest: Liebe, Vertrauen und Hingabe sind die unabdingbaren Voraussetzungen für eine glückliche Beziehung zwischen Herrin und Sklave, Dienerin und Patron. Trotz aller Medienhysterie sind die Spiele in Lack, Gummi und Leder nur gering verbreitet. Auf bis zu sieben Prozent schätzt Grimme den Anteil praktizierender Sadomasochisten. Das liege daran, daß sich die wenigsten Paare trauten, ihre sexuellen Phantasien auszuleben. Aus Angst vor Zurückweisung oder Lächerlichkeit blieben die meisten bei dem Rezept, das sich seit Jahrhunderten zumindest zu Fortpflanzungszwecken bestens bewährt hat. Und das, wo 75 Prozent aller Erwachsenen mindestens einmal in ihrem Leben davon träumten, den Partner als Beistelltisch zum stilvollen Abendessen mit Freunden zu präsentieren.

„S/M muß in erster Linie Spaß machen“, ist Grimme überzeugt. Auch ein therapeutischer Effekt sei oft nicht von der Hand zu weisen. Das Hanging an Haken sei zum Beispiel extrem entspannend für die Rückenmuskulatur. Dabei müsse man natürlich darauf achten, daß es nicht zu Verletzungen komme. S/M sei schließlich Ausdruck gelungener Kommunikation. Gewalt entstehe nur dort, wo ein Kommunikationsproblem sei.

Matthias Grimme ist eine Autorität in der Hamburger S/M-Szene, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Das einzige deutschsprachige S/M-Handbuch trägt seine Handschrift. Darin erfahren Herrin und Sklave, welche Praktiken mit welchem Lustgewinn wie gefährlich oder schmerzhaft sein können. „Safe, sane and consensual“sind die drei Prinzipien, nach denen S und M praktiziert werden sollten. Ansonsten ist Sadomaso so unterschiedlich wie die Leute, die es leben. Das Spektrum sexueller Praktiken reicht vom Schlagen und Knebeln bis hin zu Doktorspielchen mit Pinzette. Teil der Szene ist aber auch der 55jährige Manager, der eine Mama sucht, die ihn wickelt und füttert.

S/M-Beratung, jeden Donnerstag 16-20 Uhr,

S/M-Stammtisch, jeden 1. Montag im Monat, ab 20 Uhr in der Kneipe „Seagull“, Detlev-Bremer-Str. 37, 20359 Hamburg