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Verjährung des DDR-Unrechts weiterhin offen

■ Debatte geht quer durch alle Parteien. Antrag Thüringens in Bundesrat-Ausschuß verwiesen

Berlin (taz) – Die Entscheidung wird nicht ohne Spannung erwartet: Werden das allgemeine DDR- Unrecht und die spezifischen, vereinigungsbedingten Straftaten Ende dieses Jahres verjähren? Oder setzen sich Bundestag und Bundesrat doch noch für eine Verlängerung der Fristen ein? Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Rupert Scholz, glaubt, daß eine Mehrheit in Bonn sich für eine Verschiebung der Fristen für sogenannte mittelschwere Straftaten einsetzen wird. Denkbares Stichdatum, so Scholz, sei der 3. Oktober des Jahres 2000. Als „mittelschwere“ Straftaten gelten jene Vergehen, die im Falle einer Verurteilung mit Haftstrafen von ein bis fünf Jahren belegt werden.

Sollte es keine Verlängerung der Verjährungsfristen geben, bleiben diese Straftaten ungesühnt, sofern bis zum 31. Dezember dieses Jahres keine Klage bei Gericht eingegangen ist. Bereits zweimal, zuletzt 1992, war die Verjährungsfrist verlängert worden. Damals mit dem Argument, die Justizbehörden im Osten seien noch im Aufbau. Die Front der Gegner und Befürworter einer Verjährung geht quer durch alle Parteien. Berlins Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) lehnt sie ab und verweist auf die „rechtliche Schieflage“ gegenüber anderen Delikten, wenn DDR-Unrecht auch über das kommende Jahr verfolgt würde. Ihr Parteifreund Richard Schröder plädiert hingegen dafür, allgemeine Straftaten wie Körperverletzung, Rechtsbeugung und Nötigung verjähren zu lassen und allein die Fristen im Bereich der vereinigungsbedingten Wirtschaftskriminalität zu verlängern.

Ein Antrag Thüringens, der in diese Richtung geht und die Frist auf Ende 1999 setzt, wurde jedoch letzte Woche im Bundesrat in die Ausschüsse überwiesen. Strittig ist auch innerhalb der Union, ob die Verlängerung für alle mittelschweren Delikte oder nur für bestimmte Bereiche des DDR-Unrechts gelten soll. Es sei denkbar, erklärte nun am Wochenende Scholz, daß die Verlängerung nur für einen Katalog von Straftaten gelte. Dazu könnten etwa die Wirtschaftskriminalität in der Wendezeit und typische Delikte des DDR-Unrechts wie etwa Freiheitsberaubung und Körperverletzung gehören. Severin Weiland

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