Hannover setzt Rechtschreibreform aus

■ Nach den Herbstferien gelten an Niedersachsens Schulen wieder die alten Duden-Regeln. Die Rechtschreibreform wurde bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestoppt. FDP-Chef Gerhardt will d

Hannover (taz) – Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg gegen die Rechtschreibreform hat Niedersachsen jetzt als erstes und bisher einziges Bundesland die Einführung der neuen Schreibregeln gestoppt.

An allen Schulen des Landes muß die Rechtschreibung nun zunächst wieder nach den alten Duden-Regeln unterrichtet werden. Über einen entsprechenden Erlaß, der nach den niedersächsischen Herbstferien in Kraft treten soll, hat Kultusminister Rolf Wernstedt gestern Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder unterrichtet. Im Anschluß an das Gespräch teilte die Staatskanzlei in Hannover mit, daß der Vollzug der Rechtschreibreform in Niedersachsen ausgesetzt wird. Der Stopp soll bis zu einer endgültigen Einigung zwischen dem Bund und allen Bundesländern über die neue Rechtschreibung oder bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gelten. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird für das kommende Frühjahr erwartet. Der Bonner Bundestag soll sich Anfang Dezember abschließend mit einem Antrag gegen die Reform befassen.

Nach dem Urteil des OVG Lüneburg hatte Wernstedt am vergangenen Freitag für seine Schulen zunächst ein Nebeneinander von alter und neuer Rechtschreibung angekündigt. Sein Erlaß sieht jetzt vor, daß in allen Schulformen und in allen Jahrgängen nach den Duden-Regeln unterrichtet wird. Lehrer dürfen aber im Unterricht auf die neuen Regeln hinweisen.

Die neue Schreibweise gilt in Klausuren und Klassenarbeiten nicht als Fehler, auch Schulbücher in der neuen Rechtschreibung sollen weiter verwandt werden. Der neue Erlaß ersetzt den alten Übergangserlaß zur Einführung der Rechtschreibreform, den das OVG Lüneburg am Freitag für rechtswidrig erklärt und der schon im Sommer 1996 für Niedersachsen ein Vorziehen der Reform empfohlen hatte.

Inzwischen haben allerdings auch alle übrigen Bundesländer mit der Umsetzung der Rechtschreibreform an den Schulen begonnen. Ein Sprecher der Kultusministerkonferenz (KMK) in Bonn, deren Vorsitzender Wernstedt derzeit ist, sah gestern denn auch „ein gewisses Ausscheren Niedersachsens aus der gemeinsamen Linie der Bundesländer“.

Die Kultusministerkonferenz, die bis jetzt geschlossen hinter der Rechtschreibreform steht, wird am kommenden Donnerstag das Thema erneut debattieren. Der FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt, der einst als hessischer Kultusminister und KMK-Vorsitzender die Reform mit auf den Weg gebracht hatte, verlangte gestern, die Einführung der neuen Schreibregeln bundesweit auszusetzen. Gerhardt will die „Reform als Ganzes überdacht“ sehen und glaubt nicht mehr an die Einführung der neuen Regeln im Sommer nächsten Jahres. Eine bundesweite Aussetzung der Reform verlangten auch Gegner der neuen Rechtschreibung, wie der bayerische Deutschlehrer Friedrich Denk.

In Niedersachsen wurden seither die Schüler nach den neuen Regeln unterrichtet. Schulen konnten von sich aus die neue Schreibweise für obligatorisch erklären, auf die alten Regeln sollte im Untericht kein Wert mehr gelegt werden. Jürgen Voges