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Koalitionspolitiker stützen Grass

■ Schmalz-Jacobsen: Grass' Rede enthält "bittere Wahrheiten". Geißler betont berechtigte Sorge um Menschenrechte in der Türkei. Burkhard Hirsch erklärt Hintze für unqualifiziert

Frankfurt/M. (AP/taz) – Nach der scharfen Kritik der Bundesregierung an den Äußerungen von Günter Grass haben gestern Koalitionspolitiker Verständnis für dessen Kritik an der Ausländerpolitik gezeigt. Die Ausländerbeauftragte der Regierung, Cornelia Schmalz- Jacobsen, erklärte, die Rede des Schriftstellers enthalte im Kern „bittere Wahrheiten“. Die Kritik an der Abschiebepraxis allerdings sei schief und polemisch. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Heiner Geißler, sagte, die Sorge sei durchaus berechtigt, daß Abschiebungen in die Türkei auch Menschenrechte verletzten könnten. Der CDU-Politiker sagte, es gebe keine Garantie, daß Kurden in der Türkei nicht gefoltert oder zu Unrecht inhaftiert würden. Die Türkei könne nicht als Rechtsstaat bezeichnet werden, sagte Geißler und kritisierte auch die Rüstungsexporte in das Nato-Land: „Wenn nicht absolut sichergestellt werden kann, daß deutsche Waffen nicht im Bürgerkrieg gegen die Kurden eingesetzt werden, darf man eben nichts mehr dorthin liefern.“

Schmalz-Jacobsen gab zu, Grass habe zu Recht darauf hingewiesen, daß Deutschland keine klaren Vorstellungen über den Umgang mit Einwanderern habe. Die FDP- Politikerin betonte jedoch, die Bundesrepublik sei ein Rechts- und kein Willkürstaat. „Aber sobald die Abschiebung ein konkretes Gesicht erhält, kommt man mitunter schon ins Grübeln“, fügte die Ausländerbeauftragte hinzu. Die heftige Kritik an Grass hält sie allerdings für „ebenso überzogen wie dessen Rundumschlag gegen die deutsche Ausländerpolitik“.

Ihr Parteikollege Burkhard Hirsch äußerte erneut sein Verständnis für die Grass-Rede, die in vielen Punkten richtig gewesen sei. Die Bundesregierung habe das Asylrecht im wesentlichen abgeschafft, statt sich für ein europäisches Asylrecht einzusetzen, sagte der Bundestagsvizepräsident. „Die Gegenkritik von CDU-Generalsekretär Hintze ist deshalb unqualifiziert und unter Niveau und zeigt: Wer getroffen ist, schreit.“

Grass hatte bei seiner Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den türkischen Autoren Yașar Kemal am Sonntag Innenminister Kanther des Fremdenhasses bezichtigt. Die Deutschen seien untätige Zeugen einer „abermaligen, diesmal demokratisch abgesicherten Barbarei“; er schäme sich dieses Landes.

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