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AKW Brunsbüttel vor dem Abschuß

Noch in dieser Woche verhandeln SPD und GAL über die Stillegung des Reaktos. Ein Ausstiegsbeschluß ist wahrscheinlich  ■ Von Marco Carini

Kommt schon morgen das Aus für den Atommeiler in Brunsbüttel? Wenn die Koalitions-Kommissionen von SPD und GAL sich am Freitag zusammensetzen, um über die Hamburger Energiepolitik zu verhandeln, wird sich alles um die Zukunft des betagten Atomkraftwerks drehen. Innerhalb der GAL-Verhandlungskommission wird es als „qualifiziertes Gerücht“gewertet, daß sich die SPD die Stillegung des AKWs Brunsbüttel im Jahr 2002 abringen lassen wird. „Sonst hätten sie die Koalitions-Verhandlungen gar nicht erst aufnehmen brauchen“, gibt sich ein Mitglied der GAL-Verhandlungskommission sicher.

Drei Gründe sprechen dafür, daß der Einstieg in den Hamburger Atomausstieg tatsächlich noch in dieser Woche über die Bühne geht:

– Die SPD machte selbst Wahlkampf damit, daß der Atomreaktor durch den Wasserkraft-Strom aus Norwegen ersetzt werden kann. Stellt sie sich nun als Ausstiegs-Blockiererin dar, riskiert sie einen Konflikt mit ihrer Parteilinken und erheblichen Unmut im atomkritischen Teil ihrer WählerInnenschaft.

– Die KoalitionsbefürworterInnen beider Verhandlungsparteien wissen, daß die GAL auch nach der Rettung des „Wachtelkönigs“noch einen weiteren spektakulären Verhandlungserfolg braucht, um die Koalitions-Vereinbarung ungefährdet durch ihre Mitgliederversammlung zu bugsieren. Das Aus für Brunsbüttel wäre ein adäquates Zugeständnis. Denn die GAL-Basis, so das Kalkül, wird nicht mehrheitlich gegen die Koalo-Vereinbarung stimmen, wenn sie damit den Ausstieg aus Brunsbüttel vom Tisch wischt.

– Da Fritz Vahrenholt seinen Hut als Umweltsenator nimmt, ist der größte Hemmschuh gegen einen konkreten Ausstiegstermin aus dem Atom-Geschäft. Parteichef Jörg Kuhbier, SPD-Verhandlungsführer im Energiebereich, gilt als Befürworter eines wirtschaftlich vertretbaren Atomausstiegs. Mit dem designierten Bürgermeister Ortwin Runde soll er sich nach Informationen des NDR bereits am Montag darauf verständigt haben, der grünen Ausstiegsforderung zuzustimmen.

Um die Stillegung von Brunsbüttel perfekt zu machen, wird die GAL-Verhandlungskommission der SPD ein konkretes Ausstiegsszenario vorlegen. Bis zum Oktober 1999 müssen danach die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) – die inklusive des bei der Hamburgischen Landesbank geparkten Aktienpaketes noch immer mehrheitlich in städtischen Besitz ist – den Gesellschaftsvertrag über den Reaktor mit PreussenElektra zum Jahr 2002 kündigen. Steigt einer der Partner aus, so regelt der Vertrag, haben die HEW das Vorkaufsrecht für die Preag-Anteile an dem Kraftwerk.

Während der HEW-Vorstand nach taz-Informationen von einem Kaufpreis von „mindestens 50 Millionen Mark“ausgeht, würde eine Anteilsübernahme den Hamburger Stromkonzern gut 30 Millionen Mark kosten. Für die GAL keine unüberwindbare Hürde. Ein brandneues, in ihrem Gutachten erstelltes Gutachten über die „wirtschaftlichen Auswirkungen eines Kernkraftausstiegs der HEW“(siehe unten) belegt, daß die HEW mindestens 70 Millionen Mark einsparen können, wenn sie ihre Atommeiler durch Gaskraftwerke ersetzen. Der Umstieg wäre damit wirtschaftlich begründbar und durch klagewütige HEW-Aktionäre juristisch kaum auszuhebeln.

Über das neue Wirtschaftlichkeitsgutachten will die GAL zudem die drei weiteren Atommeiler Stade, Brokdorf und Krümmel, an denen die HEW beteiligt sind, auf den Prüfstand zerren. Tenor: Ein auf maximale Gewinne achtender HEW-Vorstand müßte sofort flächendeckend von Atom auf Gas umsteigen. „Aufgrund der neuen Zahlen ist ein Ausstieg nur aus Brunsbüttel für uns zu wenig“, gibt der GAL-Energieexperte und Bürgerschaftsabgeordnete Axel Bühler die Marschrichtung vor.

Aus den Verträgen für Krümmel, Brokdorf und Stade kommen die HEW allerdings nicht heraus, ohne ihren Einfluß auf die Kraftwerke ganz zu verlieren. Kündigen sie die Vereinbarungen, kann – anders als bei Brunsbüttel – die Preag sich die HEW-Anteile an den drei AKWs einverleiben und munter weiterstrahlen.

Dagegen wird die GAL in die Koalo-Verhandlungen ein Konzept vorlegen, daß unter dem unverdächtigen Schlagwort „Entflechtung der Stromwirtschaft“gehandelt wird. Die HEW geben danach ihre Anteile an den AKWs Brokdorf und Stade ab und übernehmen dafür Krümmel ganz. Der unter Leukämieverdacht stehende Reaktor, an dem die HEW heute 50 Prozent und die Betriebsführerschaft besitzen, könnte dann von dem Hamburger Stromkonzern abgeschaltet werden.

Doch selbst innerhalb der GAL wird bezweifelt, daß die SPD diesem Vorschlag zustimmen und die Preag sich auf einen solchen Deal einlassen werden.

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