Seitenwechsel

Nach Meyers Lexikon ist Transsexualität die „psychische Identifizierung mit dem Geschlecht, das dem eigenen körperlichen Geschlecht entgegengesetzt ist. Daraus kann sich der Wunsch nach einem Wechsel des Geschlechts herausbilden.“

Die Ursachen für diese Störung der geschlechtlichen Identität sind nach wie vor ungeklärt. Wahrscheinlich spielen eine Reihe von psychischen und biologischen Einflüssen eine Rolle. Sicher ist nur: Transsexuelle haben die innere Gewißheit, dem Geschlecht anzugehören, das ihnen körperlich nicht gegeben ist. Sie streben an, im richtigen Körper zu leben. Aus medizinischer Sicht gilt Transsexualität als Krankheit.

Wie viele Betroffene in Deutschland leben, kann niemand sagen. Es gibt keine Statistiken, lediglich Schätzungen: Nach ihnen sollen es zwischen 3.000 bis 300.000 Transsexuelle in der Bundesrepublik geben.

Transsexualität läßt sich nur schwer diagnostizieren. Andere „Abweichungen“ oder „Störungen“ müssen ausgeschlossen werden: Liegt zum Beispiel nur ein Fall von Fetischismus oder verdrängter Homosexualität vor? Ein eindeutiger Befund ist nötig, um den rechtlichen Grundlagen für einen Wechsel des Geschlechts Genüge zu tun. Das Transsexuellengesetz von 1980 erlaubt es, den Vornamen zu ändern, wenn der/ die Betroffene „seit mindestens drei Jahren unter den Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben“. Eine Vornamensänderung ist also auch ohne operativen Eingriff möglich. Für eine Personenstandsänderung sind jedoch eine Operation und die Scheidung von einem Ehepartner Voraussetzung. Auch muß sicher sein, daß die/der Betroffene „dauernd fortpflanzungsunfähig ist“.

Vor Vornamensänderung und geschlechtsangleichender Operation liegen nicht nur drei Jahre Leben in der Rolle des (noch) anderen Geschlechts, sondern weitere Hürden: Psychologen, Gutachter, Alltagstest.

Als Alltagstest bezeichnet man die Zeit nach dem Coming-out als Transsexuelle/r bis etwa zur amtlichen Änderung des Vornamens, in der mensch beginnt, konsequent im gewünschten Geschlecht aufzutreten. Der Alltagstest ist nicht vorgeschrieben und dennoch ratsam.

Beim Gericht sind Anträge zu stellen. Der Richter will sich in einer Anhörung ein Bild des Betroffenen machen und beauftragt zwei Gutachter. Mit diesen Gutachten, so sie im Sinne der Geschlechtsumwandlung positiv ausfallen, kann man bei den Krankenkassen eine Kostenübernahme für die Operation beantragen. Vor dieser kommt in der Regel eine Behandlung mit Hormonen. Die weiblichen Hormone bewirken beim Mann unter anderem das Einsetzen des Brustwachstums, die Verringerung der Körperbehaarung und die irreversible Schrumpfung der Hoden. Nehmen Frauen männliche Hormone ein, setzt zum Beispiel der Bartwuchs ein, und die Menstruation bleibt aus.

Die Operation selbst ist ein wichtiger Schritt für den „Seitenwechsel“, setzt aber keinen Schlußpunkt. Das Epilieren des Bartes, das Erlernen des Schminkens und Stimmtraining nehmen oft lange Zeit in Anspruch. Allein den männlichen Bart gänzlich zu epilieren, dauert zwischen zwei und sechs Jahre. Und: Die sexuelle Empfindbarkeit nach der OP fällt sehr verschieden aus.

Über den Berliner Sonntagsclub e.V. (Rhinower Str. 8) ist ein transsexueller Leitfaden erhältlich, der detailliert über gesetzliche Grundlagen und über die Schritte hin zum anderen Geschlecht informiert.

Die Trans-Line, das Berliner Beratungstelefon für Transsexuelle, ist jeden Freitag geschaltet: (030) 442 37 02. Die Selbsthilfegruppe SEKIS ist unter Fon (030) 822 93 21 rund um die Uhr zu erreichen. ah