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Sie zanken sich wie Kinder

■ Zwischen den Kulturen: Koreodrama-Theater und Theatro Romano in den Sophiensälen

Verwirrende Verflechtungen: Exjugoslawien und Roma-Kultur, Frau und Mann, Tanz und Sprache, und über allem die Erfahrung, als Fremde in Deutschland Theater zu machen. Frauen tanzen in verzweifelter Auflehnung in der Küche und lesen Ingeborg Bachmann. Männerphantasien von Macht und Erlösung enden mit Bukowski auf dem Klo. Und Strindbergs Fräulein Julie ist die deutsche Frau in Rot, ihre Bediensteten dagegen sind Roma. Die Struktur ist stabil. Schade. Einzelne Darstellerinnen rennen gegen eine eiserne Regie an. Das ist streckenweise packend.

Regisseurin Nada Kokotović stammt aus Kroatien und hat eine Form entwickelt, die sie „Koreodrama“ nennt: Überschneidungen von Körper und Stimme. Ihr Partner Nedjo Osman arbeitet seit den achtziger Jahren mit ihr zusammen und gründete unlängst in Köln sein Theatro Romano. In den Sophiensälen sind derzeit je eine Arbeit von Kokotović und Osman zu sehen („Julie“ nach Strindberg, „Yerma nach dem Tod“ von Lorca). Die dritte, die beide gemeinsam entwickelt haben – „Ein Tag, eine Frau, ein Mann“ –, wurde schon letzte Woche gegeben. Kokotović und Osman inszenieren ihre Geschlechterbilder getrennt, ebenso separiert wird das Publikum plaziert, und irgendwie bleibt alles beim alten. Die drängende Zwischenfrage bei so klar markierten Grenzen von Geschlechtern und Kulturen: Ist die logische Folge vieler aufeinanderprallender Codes gnadenlose Vereinfachung?

Eine zerhackte Sprache, tänzerisches Ringen mit den Fetischen überlieferter Vorstellungen von Weiblichkeit. Die Ausgangslage ist klar. Drei Frauen stehen auf der Bühne, jeweils eine spielt, tanzt, spricht, eher für sich als im Ensemble. Vera Sander – im Ruhrgebiet auch als Choreographin geschätzt – vollbringt das Kunststück, die letztendlich rigide, angestrengte Form mit etwas aufzuladen, was ich so selten wahrgenommen habe: Lust. Sander bespringt den Küchenschrank, tobt leichtfüßig, pendelt zwischen Poesie und Gewalt, unentscheidbar und bedrohlich. Das knallt ganz unforciert. Die Männer in Osmans kürzerer Dreingabe sind höchstens ein bißchen erbarmungswürdig. Schwarz- weiß sind die Fliesen wie die Figuren in diesem Bekenntnis-Dramolett.

Vom Klassenkampf zum Kulturkampf. Kokotović schreibt August Strindbergs „Fräulein Julie“ entschieden um, Jean und Christine sind Roma, die gebrochene Aristokratin Julie ist Deutsche. Das ist möglich, klingt plausibel. Das Fremde bleibt fremd, das Nahe vertraut, und der Platz einer Auseinandersetzung jenseits von bloßem Unverständnis somit leer. Extrem rasche Aufblenden, eine Hackdramaturgie, und die nervende Omnipotenz der Musik entziehen die notwendige Ruhe, welche beim Schauen von Unvertrautem gewährleistet sein müßte.

Statt dessen sitzt man mit den eigenen Bildern recht verloren da: Romani ist eine schöne Sprache für unsere Ohren, und die Roma- Anklänge im Soundtrack mögen mitreißend sein. Aber was dann? Jean und Julie zanken sich wie Kinder, jeder will seinen Traum erzählen, doch eigentlich reden sie nur aneinander vorbei: eine witzige, anmutige und auch stille Szene bei Kokotović. Derweil schneidet Christine hinten weiter Gemüse und ist traurig. Zum Schluß bleiben wir mit Julie allein im Saal, nochmals zwei schnelle Blenden auf die abwesenden Roma Jean und Christine. Ja, sind die jetzt gar noch abgehauen? Tobi Müller

25.10., 21 Uhr: „Julie“

26.–28.10., 21 Uhr: „Yerma nach dem Tod“, Sophienstraße 18

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