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Freispruch für Siemens-Arbeiter

■ Nach Gewalteskalation auf einer Gewerkschaftsdemo mit 15 Verletzten türkischer Herkunft wurde der Demonstrant Hasan C. gestern freigesprochen. IG Metall kritisiert Vorgehen der Polizei

Strafanzeigen gegen Polizisten und Demonstranten, 15 verletzte Protestlerinnen und Protestler – so die Bilanz nach einer Kundgebung der IG Metall gegen das Bonner Sparpaket in Siemensstadt am 27. Juni dieses Jahres. Für eine Gewerkschaftsdemo ein eher ungewöhnliches Ende. Der Siemens- Arbeiter Hasan C. erhielt dabei eine Anzeige wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Gestern wurde er vom Amtsgericht Tiergarten freigesprochen.

Etwa 1.000 Arbeiter waren nach der Kundgebung geschlossen auf dem Rückweg zu ihren Arbeitsplätzen gewesen. Dabei kam es nach Angaben von Gewerkschaftsvertretern zu „Übergriffen der Polizei“. Beteiligte Polizisten erklären hingegen, die Auseinandersetzungen seien von Demonstrationsteilnehmern ausgegangen, außerdem sei es bei Festnahmen und der Aufnahme von Personalien zu „Widerstandshandlungen“ gekommen.

Hasan C. wurde zur Last gelegt, die Tür eines Polizeiwagens zugeschlagen zu haben, um die Festnahme eines Kollegen zu verhindern. Er soll außerdem einen Beamten bedroht und bei seiner anschließenden Festnahme Widerstand geleistet haben.

Laut Urteilsbegründung bestehen jedoch „einige Zweifel“ an dieser Version des Geschehens. C. hatte erklärt, im Getümmel gegen das Einsatzfahrzeug gedrängt worden zu sein, seine Festnahme sei dann so schnell und brutal erfolgt, daß er keinerlei Chance zur Gegenwehr gehabt habe. Eine am zweiten Verhandlungstag hinzugezogene Zeugin bestätigte, C. habe wehrlos am Boden gelegen: „Er lag leichenblaß mit dem Rücken auf dem Bordstein und ein Polizist saß auf ihm.“ Der Staatsanwalt hingegen vertrat die Ansicht, kein Zeuge habe entlastende Angaben über die vorangegangene Situation machen können; er sehe daher keinen Grund, der Aussage eines Polizeibeamten zu mißtrauen. Der Vorsitzende Richter mochte diesen Persilschein jedoch nicht unterschreiben. Er urteilte „im Zweifel für den Angeklagten“.

Zweifelhaft erscheint nach wie vor auch das Vorgehen der Polizei: Alle 15 Verletzten, darunter 8 Frauen, waren türkischer Herkunft und berichten von rassistischen Äußerungen seitens der Beamten. Holger Wicht

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