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Das 9,5-Milliarden-Ding

EU-Kartellbehörden vermuten, daß nicht alle Subventionen für Dow Chemical in Buna korrekt abgewickelt wurden  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Seit Kanzler Helmut Kohl das ostdeutsche Chemiedreieck zum industrieellen Kern erkoren hat, fließen die Subventionen – koste es, was es wolle. Gestern kündigte der EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert in Berlin erneut ein Verfahren gegen die Bundesrepublik wegen nicht eingehaltener Verträge an. Dieses Mal geht es Subventionen für die Buna SOW Leuna Olefinverbund (BSL) in Schkopau.

9,5 Milliarden Mark Steuergelder kostet die Privatisierung, die 1995 beschlossen wurde. Der US- Chemiekonzern Dow Chemical hatte dafür zugesagt, 2.200 Arbeitsplätze zu erhalten und bis zur Jahrtausendwende 4,5 Milliarden Mark in Anlagen zu investieren. Solange die Umstrukturierung noch nicht abgeschlossen ist, hält die Treuhandnachfolgerin BvS (Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) 20 Prozent der Anteile – und übernimmt Unternehmensverluste.

„Wir werden bald ein Verfahren eröffnen und alles noch einmal prüfen“, kündigte van Miert gestern an. In mehreren Punkten habe Deutschland die Vereinbarungen mit der EU auf jeden Fall gebrochen. So seien die verabredeten Kapazitätsbegrenzungen ignoriert worden. Und die Berichte über den Fortgang des Projekts, die halbjährlich in Brüssel abzugeben sind, kamen permanent zu spät und waren ungenau.

Vergeblich harrt van Miert bisher der Antworten zum Fall Leuna. „Ich bin gespannt, was da auf unsere Tische kommt“, bekannte er gestern. Im Juli hatte die EU-Kommission einen Fragenkatalog an die Bundesregierung abgeschickt und ihr zur Beantwortung eine Frist von einem Monat eingeräumt. Es vor allem darum, daß die vom Investor Elf Aquitaine gebaute Raffinerie offenbar 900 Millionen Mark teurer ist als vergleichbare Anlagen anderswo. Die Kommission hegt den Verdacht, daß auf diese Weise Beihilfen erschlichen wurden. Außerdem ist ihr suspekt, daß die BvS zugesagt hat, ein Drittel der Raffinerie zurückzunehmen, wenn Elf das möchte – oder eine Entschädigung zu zahlen. Van Miert bezweifelt, daß das „der wirtschaftlichen Realität“ entspricht.

Im Subventionsfall VW dagegen ist man sich offenbar inzwischen fast einig. „Nur ein paar juristische Fragen sind noch offen“, so van Miert. VW hat zugesagt, 90,7 Millionen Mark unberechtigt kassierte Hilfen für das Werk im sächsischen Mosel zurückzuzahlen. Das Einlenken des Automobilkonzerns kam allerdings nicht freiwillig. Der Wettbewerbshüter aus Brüssel hatte klargemacht, daß die EU ansonsten die berechtigten Investitionshilfen für den VW-Standort in Baunatal sperren würde. Außerdem hatte die EU-Kommission Klage vorm Europäischen Gerichtshof eingereicht. Die will sie, wenn alles geklärt ist, zurückziehen.

Auch über die ostdeutschen Problemfälle hinaus haben die Kartellwächter in Brüssel immer mehr zu tun. 130 bis 150 Großfusionen, bei denen es um mehr als fünf Milliarden Ecu (knapp 10 Milliarden Mark) geht, müssen sie dieses Jahr auf ihre Gefahr für den freien Markt hin überprüfen. Die Unternehmenszusammenschlüsse in Europa und auch anderswo nehmen rasant zu. „Die Entwicklung ist sehr problematisch“, so van Miert.

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