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250 Millionen Kinder müssen weltweit ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Eine Konferenz in Oslo will jetzt ein Konzept zur langfristigen Abschaffung von Kinderarbeit beschließen. Kritiker und Kinder selbst warnen davor: Die Lage vieler

250 Millionen Kinder müssen weltweit ihren Lebensunterhalt selbst verdienen. Eine Konferenz in Oslo will jetzt ein Konzept zur langfristigen Abschaffung von Kinderarbeit beschließen. Kritiker und Kinder selbst warnen davor: Die Lage vieler würde sich entscheidend verschlimmern.

Ohne Kinderarbeit geht es nicht

„Ich heiße Akhtar. Ich bin 13 Jahre alt. Die letzten zwei Monate habe ich in einer Imbißstube gearbeitet. Ein kleines Restaurant, wo vor allem Tee serviert wird. Ich bin nie in die Schule gegangen, denn meine Familie hat kein Geld fürs Essen. Ich verdiene 500 bis 600 Taka (rund 20 Mark) im Monat. Ich fange um sechs Uhr morgens an und darf abends um zehn Uhr nach Hause gehen.“

Der junge Akhtar aus Bangladesch ist eines von rund 250 Millionen Kindern unter 14 Jahren, die nach Unicef-Schätzungen arbeiten müssen. Ihr Schicksal ist Thema der internationalen Konferenz über Kinderarbeit, die am Montag in Oslo eröffnet wurde. Die Initiatoren – die norwegische Regierung, die Internationale Arbeitsorganisation ILO und die Unicef – hoffen, sie am Donnerstag mit der Verabschiedung eines verbindlichen Handlungsplans abschließen zu können. Sein Ziel wird sein, Kinderarbeit langfristig ganz zu stoppen.

„Und dann? Sollen wir dann stehlen? Ist das besser als arbeiten?“ Franklin Blandon hat als Zehnjähriger damit begonnen, an den Kreuzungen der nicaraguanischen Hauptstadt Managua Autoscheiben zu putzen. Ohne diese Arbeit – so glaubt es der jetzt 17jährige jedenfalls selbst – hätte er nie eine Schule besuchen können, hätte sich als Analphabet mit Diebstählen durchgeschlagen und wäre nie nach Oslo gereist. Dort ist er zwar nicht auf der offiziellen Konferenz willkommen – nur drei „handverlesene“ Kinderarbeiter sind unter 300 Delegierten aus 41 Ländern –, durfte aber auf einer von der norwegischen Kinderhilfsorganisation Redd Barna („Rettet die Kinder“) veranstalteten Parallelkonferenz für das Recht auf Kinderarbeit plädieren.

„Es ist verletzend, wenn sie über uns entscheiden wollen, ohne uns zu fragen. Wir“, so Franklin, „wissen vielleicht besser, was wir brauchen und wollen. Wir wollen die schlimmsten Mißstände stoppen. Die wollen alle Kinderarbeit verbieten.“

Das wollen „die“ tatsächlich. Nicht von heute auf morgen, das wäre nun doch zu unrealistisch, aber zumindest auf längere Sicht. Der Handlungsplan will eine Altersgrenze von 14, besser noch 15 Jahren einführen. Boykottaktionen sind kein Thema mehr. Sie haben sich einerseits als zu wirkungslos, andererseits als ein zu grobes Instrument erwiesen: weniger als fünf Prozent aller Kinderarbeiter sind in Exportbranchen tätig.

„Die Welt der Kinder soll aus Spiel und Schule, nicht aus Arbeit bestehen“, so Norwegens Ex-Entwicklungshilfeministerin Kari Nordheim-Larsen. Dieses Ideal sollen übernationale Gesetzgebung, vertiefte Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften und mehr gezielt in den Bildungsektor fließende Entwicklungshilfegelder erreichen. Wegen dieses Handlungsplans haben eine Reihe von Dritte-Welt-Ländern, vor allem aus Afrika, von vorneherein auf die Teilnahme an der Konferenz verzichtet. Immerhin sind Länder wie Indien, Pakistan, Thailand, die Philippinen, Nicaragua und Brasilien mit Ministern dabei. Auch wenn 95 Prozent aller Kinderarbeit in der Dritten Welt zu Hause ist, soll auf der Konferenz aus der Perspektive der reichen Länder über Kinderarbeit entschieden werden, warnt Redd Barna. Zusammen mit anderen Kinderhilfsorganisationen steht die Initiative damit in direktem Gegensatz zu den regierungsamtlichen Kinderschützern: Kriminalität und noch verbreitetere Prostitution könnten schnell Resultat einer Politik des absoluten Verbots von Kinderarbeit werden. „Allerschlimmste Armut zwingt Millionen Kinder zur Arbeit“, sagt Redd-Barna-Generalsekretär Tor Elden. „Natürlich ist ein Großteil dieser Arbeit schädlich für ihre Entwicklung und Gesundheit. Aber was ist die Alternative, wenn man sie mit einem Gesetz verbietet? Sollen sie auf der Straße sitzen und Gestohlenes verkaufen? Eine Schule gibt es für die meisten sowieso nicht.“

Elden mahnte die Delegierten der offiziellen Konferenz, nicht den Kontakt zur Wirklichkeit zu verlieren und auf die Kinderarbeiter selbst zu hören. Diese Aufforderung unterstützen zwei renommierte Experten zum Thema Kinderarbeit: William E. Myers und Jo Boyden. Beide, jahrelang als Ratgeber für ILO und Unicef tätig, hatten wegen des Konferenzkonzepts ihre Teilnahme unter Protest aufgekündigt.

Die ILO verteidigt den Verzicht auf größere „Kinderrepräsentation“ in Oslo mit der Furcht vor einer PR-Show. ILO-Pressechef Michael Barton: „Kinderarbeit ist ein gefühlsbeladenes Thema, das die westliche Welt zu Tränen rührt. Wir wollen keine professionellen Kinderarbeitsrepräsentanten hier, die von Konferenz zu Konferenz gekarrt werden, nur um jeweils für den rechten Farbklecks zu sorgen.“ Der „Farbklecks“ Franklin vermutet ganz andere Erwägungen hinter der Strategie der „Offiziellen“. „Die ILO hat jahrzehntelang nichts für die Rechte der erwachsenen Arbeiter in der Dritten Welt getan. Jetzt will sie nichts für die Kinderarbeiter tun. Wir können uns nur selbst helfen, und wir müssen uns dafür selbst organisieren.“

Und für die 14jährige Angeles aus dem nicaraguanischen Bergdorf Jinotega resultierte die Reise nach Oslo in einem ganz besonderen Kulturschock: „Arbeiten denn in Norwegen die Kinder wirklich nicht? Wie schade, dann müssen sie ja nur zu Hause sitzen und vor dem Fernseher herumhängen.“ Reinhard Wolff, Oslo

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