■ Kommentar: Der Preis ist heiß
Sein politisches Schicksal habe der Fraktionsvorsitzende Klaus Böger mit der Bezirksgebietsreform nie verbunden, gibt die SPD-Führung intern bereits als Sprachregelung aus. Soll heißen: Die sozialdemokratischen Nibelungenschwüre der letzten Tage – zwölf Bezirke im Jahre 1999 – sind nichts wert und die von der CDU nun angesteuerten 15 Bezirke irgendwann verhandelbar. Besser kann man die SPD kaum in die Sackgasse manövrieren als jetzt die CDU mit ihrem Rückzieher vom Senatsbeschluß. Zum merkwürdigen Treiben der SPD gehört auch, daß nun ausgerechnet der Sprecher der Parteilinken, Klaus-Uwe Benneter, vehement für die Zwölfer-Lösung ficht. Dabei führte Benneter in der Vergangenheit die Ablehnungsfront gegen jeden Bezirksneuschnitt an. „Doppelzüngig“ nennt man anderenorts so etwas. Doch wenn es der Schwächung des Fraktionsvorsitzenden dient, ist in der SPD mit ihrer pathologischen Furcht vor Führungsstärke vieles erlaubt.
Doch im Kern haben jene Sozialdemokraten recht, die weiterhin auf den geltenden Senatsbeschluß pochen. Schließlich sind es die Christdemokraten, die ihre Schularbeiten nicht gemacht haben. Der Landesvorsitzende Diepgen und Fraktionschef Landowsky haben es versäumt, die Partei in dieser Frage zu disziplinieren. Es ist schlicht frech, nun von der SPD einen Kompromiß zum Kompromiß zu verlangen. Man erinnert sich noch, daß die Einigung nur zustande kam, weil die SPD auf das politische Bezirksamt verzichtete, das die CDU fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Die Büchse, die von der CDU aufgemacht wurde, enthält deshalb für die SPD viele Schrecken. Wird die Bezirksreform ins nächste Jahrtausend verschoben, fällt auch die Verwaltungsreform. Damit aber verliert eine Große Koalition jeden Sinn. Deswegen wird sich die SPD-Spitze schon entscheiden müssen, ob sie noch Prinzipien hat. Der Preis fürs Einknicken könnte ansonsten ziemlich hoch werden. Gerd Nowakowski
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