: Aufstand gegen den Ocean-Park
■ Fast 400 Bremerhavener outeten sich auf einer außerparlamentarischen Protestversammlung als Gegner des „Ocean-Park“: Das Großprojekt „zerstört den historischen Kern“der Stadt
Eine „Veranstaltung rund um den Ocean-Park“hatte die Bremerhavener Nordsee-Zeitung lapidar angekündigt. „Wir machen da doch keinen Rundgang“, empörte sich der Bremerhavener Anwalt Dr. Manfred Ernst. Der „Verein für Literatur und Politik“hatte ausdrücklich die Kritiker zur Gründung eines Bürgerforums geladen – und fast 400 kamen.
Nachrichten gegen den Ocean-Park werden in der Seestadt nur widerwillig gedruckt, die brechend volle Aula der Volkshochschule war deshalb ein Ereignis. Alles, was man von dem Ocean-Park-Investor Jürg Köllmann kenne, erklärte an dem Abend Rechtsanwalt Ernst, seien ein „Pappmodell mit großer Beliebigkeit“und ein Prospekt voll „verquollener Lyrik“. Fragen würden seit Monaten nicht beantwortet, die Stadt gehe auf ernsthafte Kritik überhaupt nicht ein. Offenbar mit der „Zeitdruck-Methode“solle Ende des Jahres das „Touristen-Ghetto mit naturidentischen Plagiaten“durchgepeitscht werden – die Bevölkerung werde „wie ein unmündiges Kind behandelt“.
Dr. U. Schnall vom Schiffahrtsmuseum kritisierte vor allem, daß „der Rest maritimer Struktur von Bremerhaven“zerstört werden soll: Der alte Hafen, die Keimzelle Bremerhavens bei der Gründung von 1827, ist in den Modellen für den Ocean-Park einfach zugeschüttet. Schnall: „Für mich ist damit der historische Kern Bremerhavens tot.“Inzwischen habe die Stadt unter der Hand der Köllmann-Gruppe sogar den Bremerhavener Zoo zur Neuplanung überlassen – die Beschlüsse dazu seien in Wirklichkeit längst Makulatur.
Das wichtigste und teuerste Grundstück der Stadt, ihr direkter Zugang zum Wasser, werde für eine Mark an einen privaten Investor weggegeben, schimpfte der Vizepräsident der Architektenkammer, Jürgen Grube. Klassische Kommunalaufgabe sei es, wenigstens Rahmenpläne für die Stadtentwicklung zu erstellen. Nichts dergleichen in Bremerhaven: Wenn die Köllmann-Gruppe für 15 Millionen Mark diesen „Fremdkörper“bis ins Detail geplant habe, könne die Stadt nichts mehr daran ändern.
Einziger Parteienvertreter in der außerparlamentarischen Versammlung war der grüne Fraktionsvorsitzende Christian Scherzer. Seine Partei habe sich, wenn auch knapp, für den Ocean-Park ausgesprochen. Dafür hätte man aber Bedingungen durchgesetzt: „Regenerative Energiequellen“sollten verwendet werden und eine „ökologische Verkehrsplanung“. Wie eine Persiflage auf derartige Bedingungen verlangte der Vertreter vom Verkehrsclub Deutschland, Axel Volkmann, daß – wenn schon ein Ocean-Park – dann wenigstens die Mehrzahl der 3,6 Millionen jährlich erwarteten BesucherInnen mit der Straßenbahn kommen sollten. Zweimal hatte sich Investor Köllmann mit den Grünen getroffen und ihnen mit dem Ausspruch geschmeichelt, wenn die Grünen nicht mitmachten, dann werde das Projekt sterben.
In der Versammlung verlangten mehrere Redner eine „demokratische Abstimmung in der Stadt“über die Ocean-Park-Pläne. Obwohl bisher alle Parteien und auch das lokale Monopol-Blatt einhellig für den Ocean-Park sind, war man sich einig: Die Bevölkerung ist dagegen, wenn sie nur einmal richtig aufgeklärt und aufgerüttelt wird.
K.W.
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