: Reklamegelder für die Schulbildung
■ Senatsinnenverwaltung lockert Werbeverbot in öffentlichen Gebäuden. Sponsoring soll auch die Ausstattung von Schulen verbessern - bloße Werbetafeln aber weiterhin verboten. Gewerkschaft warnt vor Konkurrenzkampf unter den Schulen
Auf das Thema Werbung in der Schule angesprochen, reagiert Rainer Leppin, kommissarischer stellvertretender Schulleiter an der Gottfried Keller Oberschule in Charlottenburg, etwas gereizt. Gerade erst ging im Rathaus Schöneberg die von der Citibank initierte Ausstellung „CitiHistorie“ zu Ende an der er auch mit gewirkt hat. Der ersten Euphorie über das Projekt, an dem sich sechs Schulen und über 200 Schüler beteiligten, folgte schnell Ernüchterung.
„Der wahre Charakter des Schulprojekts war in der Ausstellung nicht mehr gegeben“, kritisiert Leppin. Er und auch an dem Projekt beteiligte Schüler beklagen, daß die von ihnen erarbeiteten Materialien zum Thema „50 Jahre Marshall-Plan“ unprofessionell und fehlerhaft in der Ausstellung dargestellt wurden. Die Schüler fühlen sich mit ihrer Arbeit nicht ernstgenommen und monieren, daß das CitiHistorie-Projekt wohl mehr eine für die Citibank positive Werbeaktion war. „Es war letztendlich zu werbeorientiert“, resümiert Rainer Leppin.
Geerd Harzmann versteht die Aufregung nicht. Der Pressereferent der Citibank findet es absolut legitim, daß die Firma, die Projekte mitgestaltet und finanziert, auch mit ihrem Namen genannt wird: „Ich sehe kein Problem darin, daß die Reden zur Eröffnung unter unserem Firmenlogo gehalten wurden“, meint Harzmann. Nach seinen Angaben geht es der Citibank in erster Linie um soziales Engagement. Die Zusammenarbeit mit Schulen und Lehrbuchverlagen, die in den letzten Jahren zugenommen hat, soll laut Harzmann kein Instrument der Verkaufsförderung darstellen. Zumindest nicht direkt. „Natürlich“, gibt der auf seine schön klingende Version angesprochene Pressereferent zu, „denkt jeder daran, in einem postiven Licht dazustehen und somit neue Kunden zu gewinnen. Das ist nichts neues“.
Das CitiHistorie-Projekt ist nur ein Beispiel vom zunehmenden Engagement großer Firmen an deutschen Schulen: Coca Cola sponsort Sportfeste, Zeitungen gestalten über Wochen den Deutsch- und Politikunterricht. Radiosender helfen beim Aufbau von Schulradios. Banken und Autokonzerne ermöglichen die Einrichtung von Computerkabinetten, indem sie veraltete Computeranlagen den Schulen zur Verfügung stellen. Nutznießer dieser neuen Form der Computerentsorgung ist unter anderem das Canisius-Kolleg in Tiergarten. Die Schule verfügt inzwischen über eine Computeranlage im Wert von mehreren zehntausend Mark. Ein Geschenk vom Automobilkonzern BMW.
In Zukunft sollen Aktivitäten wie diese verstärkt werden. Denn wo öffentliche Gelder fehlen, sind Schulen auf Sponsoren angewiesen. Ermöglicht werden soll das durch eine Anweisung der Senatsinnenverwaltung, die ab sofort Werbung in öffentlichen Gebäuden - also auch in Schulen - zuläßt. Schulsenatorin Ingrid Stahmer unterstützt diesen Vorstoß. Sie bezeichnet diese Entwicklung als „zeitgemäß“ und plädiert für mehr „Flexibilität und innere Autonomie“, die letztendlich den Schülern zu Gute kommen soll. Wie Schulen mit Werbung und Werbepartnern in Zukunft umgehen sollen, ist zur Zeit noch unklar. In den nächsten Wochen will die Senatsverwaltung ein Papier mit allgemein gültigen Richtlinien herausgeben. Zu den Kernpunkten dieses Leitfadens gehört unter anderem die Verpflichtung der Firmen, Sponsoring an konkrete Projekte zu binden. „Reine Bandenwerbung in Sporthallen oder das Aufstellen von Werbetafeln auf den Schulhöfen wird nicht gestattet“, versichert Senatsreferentin Bettina Martin.
Kritisch betrachtet man die Entwicklung bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Sprecherin Erdmute Safranski sieht darin den Versuch des Senats, sich seiner finanziellen Verantwortung für die Schulen zu entziehen. „Letztendlich“, schlußfolgert sie, „läuft es darauf hinaus, daß Schulen unterschiedlich ausgestattet werden und sich die jetzt schon existenten Unterschiede dramatisch verschärfen.“ Dabei entstehen marktwirtschaftsähnliche Bedingungen und Konkurrenz unter den Schulen. Bildungseinrichtungen in einkommenschwächeren Bezirken hätten das Nachsehen. Ein weiteres Problem stellt, nach Ansicht der Gewerkschaftssprecherin, die bildungspolitische Unabhängigkeit der Lehrer dar, die bei finanzieller Zuwendung von Firmen nicht mehr gegeben ist. Das Thema Umweltschutz im Unterricht verliere an Glaubwürdigkeit, wenn nebenan ein Getränkehersteller einen Dosenautomaten aufstellt, befürchtet Safranski.
Die Lösung dieses Problems sieht die GEW-Sprecherin in der Einrichtung einen gemeinsamen Spendentopfes. „Damit“, so die der Werbung nicht gänzlich Abgeneigte könnten dann alle Schulen gleichberechtigt ihre Projekte finanzieren.“ Alexander Eschment
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