Kambodschas Geburtstagskind verdrückt sich

■ König Sihanouk wird heute 75. Früher war der Geburtstag ein willkommener Anlaß zum Feiern. Doch dieses Jahr bittet der deprimierte Monarch, den Tag in aller Stille zu begehen

Bangkok (taz) – An Königs Geburtstag holen die KambodschanerInnen ihre schönsten Kleider hervor und gehen sich vergnügen: Der 31. Oktober gehört seit Anfang der neunziger Jahre zu den heitersten Tagen im Jahr. Doch diesmal ist es nicht weit her mit der Fröhlichkeit: König Norodom Sihanouk, der heute 75 Jahre alt wird, hat sich eine Woche vor seinem Ehrentag aus dem Land geschlichen und ist in seine Pekinger Zweitheimat zurückgekehrt. Zuvor rief er seine Untertanen auf, den Tag in aller Stille zu begehen.

„Ich hatte gehofft, daß unser geliebtes Kambodscha bis zu meinem 75. Geburtstag friedlich, unabhängig und frei“ sein würde, erklärte der König vor seiner Abreise. Doch statt dessen sei es „wieder ein unglückliches Land, wo viele unserer Mitbürger sich nicht vom Schmerz und der Trauer erholen können, die ihnen die Mörder ihrer Väter, Männer und Brüder zufügten“, schrieb Sihanouk an die Phnom Penh Post.

Damit gestand der König seine jüngste Niederlage ein: Die Vermittlungsbemühungen zwischen den ehemaligen Partnern in der Koalitionsregierung sind gescheitert. Premier Hun Sen, der im Juli gegen seinen Kopremier Prinz Norodom Ranariddh putschte, verbat sich jede Einmischung des Königs. Frustriert über seine Unfähigkeit, die streitenden Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen, hat Sihanouk mehrfach angekündigt, er wolle abdanken. Anfang Oktober ließ er sogar wissen, daß er lebensmüde sei: „Wenn ich kein Buddhist wäre, würde ich Selbstmord begehen. Denn das Ende meines Lebens ist voller Schande, Erniedrigung und Verzweiflung.“

Als Sihanouk Ende August aus China, wo er sich seit sechs Monaten wegen seines Krebsleidens ärztlich versorgen ließ, in seine Heimat zurückkehrte, hofften viele KambodschanerInnen, er könne Politiker und Militärs zum Frieden überreden. Tatsächlich aber ist er so gut wie machtlos. Seit den von der UNO 1993 organisierten Wahlen mußte Sihanouk mit wachsender Erbitterung feststellen, daß sich weder Hun Sen noch sein eigener Sohn Ranariddh von ihm etwas sagen ließen. Immer wieder hatte er die wuchernde Korruption beklagt. Dabei ließ er sogar keinen Zweifel daran, daß er den Prinzen für unfähig hielt. Nach dem Putsch versuchte der „Vater aller Kambodschaner“, zwischen den Fronten zu lavieren: Erst erklärte er, er „könne nicht beurteilen“, ob es sich um bei den Kämpfen im Juli um einen „Putsch“ gehandelt habe. Dann beschimpfte er Hun Sen, den Sieger des Machtkampfes, als Despoten. Nach seiner Rückkehr vermied es der König, in die Hauptstadt zu reisen, um seine Abscheu gegenüber der neuen Regierung deutlich zu machen. Statt dessen blieb er in Siem Reap, nahe der berühmten Tempelanlage Angkor Wat. Künftig will er auch seine verfassungsmäßigen Pflichten nicht mehr wahrnehmen, erklärte er kürzlich. Er werde weder Dekrete noch Gesetze unterzeichnen und im kommenden Jahr auch die Kommission zur Überwachung der Wahlen nicht leiten. „Ich werde mich nie wieder in den Angelegenheiten der königlichen Regierung engagieren“, schrieb er in einem Brief an den bekannten Mönch Maha Gosananda, „selbst wenn die Premierminister mich darum bitten.“ Jutta Lietsch