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Algeriens Regime unter Druck

■ Bündnis von sechs Parteien kündigt neue Straßenproteste gegen den Wahlbetrug bei den Kommunalwahlen an, verweigert Mitarbeit in Kommunalräten und erwägt Parlamentsboykott

Madrid (taz) – Algeriens Opposition läßt nicht locker. Nachdem am Donnerstag Zehntausende vor den Sitz der Wilaya (Provinzverwaltung) von Algier zogen, um gegen „massiven und flächendeckenden Wahlbetrug zugunsten der Regierungspartei Nationaldemokratische Versammlung (RND)“ bei den Kommunalwahlen vom 23. Oktober zu demonstrieren, vereinbarten die Vertreter von sechs Parteien bei einem Treffen gestern weitere Schritte. „Wir werden weder in den Gemeinderäten noch den Provinzräten unsere Sitze einnehmen“, bestätigten die Vertreter der größten Oppositionskraft, der „Front der Sozialistischen Kräfte“ (FFS), dazu der radikal-laizistischen „Versammlung für Kultur und Demokratie“ (RCD), der trotzkistischen „Arbeiterpartei“ (PT) sowie der beiden gemäßigt islamistischen Formationen „Ennahda“ und „Bewegung für eine Gesellschaft des Friedens“ (MSP-Hamas). Letztere gehört seit Juni der Regierung an.

Ermutigt durch die rege Beteiligung der Bevölkerung Algiers an den beiden Großdemonstrationen vom Montag und Donnerstag letzter Woche soll außerdem für die nächsten Tage ein weiterer Protestmarsch organisiert werden. „Dieses Mal ziehen wir direkt vor den Sitz von Premierminister Ahmed Ouyahia“, kündigt RCD- Sprecher Amin Eshikre an. Unabhängig davon wollen die Parteien auch weiterhin überall im Lande zu täglichen Sit-Ins mobilisieren. Die sechs Oppositionskräfte haben auf nationaler Ebene eine ständige Koordinierungsgruppe eingerichtet.

Der Aktionsplan ist eine Reaktion auf die Fernsehansprache von Staatspräsident Liamine Zeroual vom Freitag abend zum 43. Jahrestag des Ausbruchs des Unabhängigkeitskrieges gegen Frankreich. Eine Wiederholung der Kommunalwahlen lehnte Zeroual ab.

Für den Fall, daß die gestern angekündigten Proteste nichts nutzen sollten, hält die Opposition einen weiteren Trumpf in der Hand: Die verschiedenen Parlamentsfraktionen diskutieren über einen demonstrativen Auszug aus der Nationalversammlung. Präsident Zeroual und seine RND blieben dann alleine. Die angeblich demokratischen neuen Institutionen würden endgültig ihre Glaubwürdigkeit einbüßen. Reiner Wandler

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