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Die bessere Franziska

Eisschnelläuferin Franziska Schenk ist ganz schön schlau und schafft es mit professioneller Unkompliziertheit, Menschen für sich zu gewinnen  ■ Von Thomas Hahn

Franziska Schenk hatte keine Sprechstunde, das war offensichtlich. Runde um Runde nahm sie auf der Bahn des Erfurter Eisstadions. Sprintenden Schrittes erst, den Oberkörper tief über die kraftvoll anschiebenden Schenkel gebeugt, dann in aufrechter Haltung, die Muskeln entspannt, um Luft zu schöpfen für den nächsten Antritt. Die Eisschnellauf-Weltmeisterin im Sprintvierkampf probte das perfekte Rennen mit den neuen Klappschlittschuhen.

Doch plötzlich kurvte sie heran. Ein Interviewtermin? Das ließe sich einrichten, gleich nach dem Training. Da müsse sie zu einer ärztlichen Untersuchung. Im Wartezimmer könnte man die tote Zeit sinnvoll nutzen, „wenn Ihnen das nicht zu blöd ist“. Wenig später saß sie im karg möblierten Untergeschoß einer Erfurter Praxis zwischen grauen Patienten und plauderte fröhlich für die Öffentlichkeit. Über Sport und Studium, über Trainingslager und Klappschlittschuhe. Souverän, geistreich, ohne Mißtrauen. Die anderen Wartenden versuchten derweil, sich auf ihre Illustrierten zu konzentrieren.

Franziska Schenk (23) hat keine Berührungsängste, die Neugier der Medien fällt ihr nicht zur Last. Das ist schon im vergangenen Jahr aufgefallen, als sie aufstieg in den Kreis der deutschen Sportgrößen, gefeiert als Seriensiegerin im Weltcup und betörendes Fotomodell. Jetzt fällt es wieder auf, da für sie am kommenden Wochenende mit den deutschen Sprintmeisterschaften in Berlin die wohl schwerste Saison ihrer bisherigen Karriere beginnt.

„Es ist schwerer, als Weltmeisterin zu starten, als als eine, die es eben mal versucht“, sagt sie. Außerdem ist ein Rest an Ungewißheit geblieben, wie es sich auswirken wird, daß die gesamte Sprint- elite im Sommer auf den Klappschlittschuh umgerüstet hat. „Es wird überall neue Weltrekorde geben“, prophezeit Schenk-Trainer Stephan Gneupel. Werden Schenk dabei auch neue Rivalinnen erwachsen?

Aus der Ruhe bringen läßt sie sich nicht. Nur neulich ist sie kurz erschrocken. Als am vergangenen Wochenende die Kanadierin Catriona LeMay in Calgary zwei Weltrekorde brach – in 38,47 Sekunden über 500 Meter und 1:17,29 Minuten über 1.000 Meter – war das für Schenk „der Schock des Tages“. Mittlerweile hat sie im Training festgestellt: „1:17 sind auch für mich drin.“ LeMays schneidige Fahrt kommentiert sie inzwischen gelassen: „Beeindruckend, aber vorhersehbar.“

Aber die Öffentlichkeit? Die so grausam sein kann, weil sie nur glänzende Großtaten anerkennt? Und dann ist da ja auch noch der Verband, der mit ihren Titeln Argumente sammeln will für üppige Fördermittel. „Der Verband hat mich noch nie interessiert“, sagt Schenk streng, „die Öffentlichkeit bedingt.“ Der eigene Anspruch ist hoch genug; der Luxus, prominent zu sein, rechtfertigt sich für sie ohnehin nur über gute Leistungen. Dennoch: Auch wenn ihr der erste Weltcup-Block, der am 15. November in Roseville (USA) beginnt, keinen Sieg bringen sollte, zerbrechen wird sie daran nicht. Der wichtigste Termin liegt erst im Februar: Olympia.

Nicht einmal die Verdrossenheit der Sponsoren fürchtet sie: „Von denen kommt kein Druck.“ Das wäre wohl auch ein sträfliches Eigentor, würden die Firmen Franziska Schenk verdammen, sie, die heiß Begehrte, die demnächst im Fernsehen für ein Versandhaus wirbt und kürzlich den Vertrag mit einer Sparkasse verlängerte. Sie, deren Beliebtheit stetig steigt.

Zuletzt durfte sie an der Seite des früheren Eiskunstläufers Norbert Schramm bei der Kuratoriumssitzung der Deutschen Sporthilfe in Frankfurt durch das Rahmenprogramm führen. So gewandt moderierte sie, daß man im Publikum raunte: An Charisma übertreffe diese Schenk sogar ihr Pendant aus der Schwimmszene, Franziska van Almsick.

Franziska Schenk, schnell, schön, schlau, schafft es, jeden für sich einzunehmen. Man entdeckt bei ihr Eigenschaften, die selten sind im Reich der Sportberühmtheiten. Längst ist es Gewohnheit, daß die Prominenz wortreiche Klage führt über die vereinnahmende Presse. Schenk dagegen verteidigt sogar die Bild-Zeitung gegen den Vorwurf, ein Schmierblatt zu sein. [Das spricht für ihre Schlauheit, aber klug ist es nicht. d.sin] Zwar ist sie kein Fußballstar, den fast täglich das öffentliche Ohr belauscht. Aber so groß ist das Interesse an ihr schon, daß sie von dem Rummel entwöhnt sein könnte. Doch sie nimmt die Anteilnahme gleichmütig hin, als Anerkennung und willkommene Abwechslung im Sportleralltag.

Die Medienvertreter danken es ihr mit Lob und Sympathie. Wenn sie Journalisten einlädt, mit ihr zum Doktor zu fahren, ist das kein Zeichen übertriebener Vertrauensseligkeit, sondern Beleg für ihre professionelle Unkompliziertheit. Sie weiß, was geheim bleiben muß. Und sobald die Fragen auszugehen scheinen, macht sie unmißverständlich deutlich, daß es Zeit wird für den Reporter, sich ein Taxi rufen zu lassen.

Franziska Schenk ist ein Medienprofi, der mit jugendlicher Begeisterung bei der Sache ist. Und vom Starkult nicht verzogen. In Mainz, wo sie Filmwissenschaft, Publizistik und Germanistik studiert, hat sie neulich wieder zu spüren bekommen, daß nicht einmal eine potentielle Olympiasiegerin beliebig Privilegien genießt. Weil der Trainingsstreß ihr die Zeit raubte, konnte sie eine Hausarbeit erst nach dem Abgabetermin einreichen. Es gab kein Pardon – die Arbeit bekam sie ungelesen zurück.

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