: Immer übern Jordan
Umweltschutz in Soaps rechnet sich einfach nicht. Der Beweis: Alle, die in der Lindenstraße je etwas mit Ökologie am Hut hatten, sind tot. Ein bestürzender Rückblick ■ Von Frank M. Ziegler
Manchmal klingelte ja auf der Southfork Ranch das Telefon, und Miss Ellie Ewing ging dran und sagte „Was?! Einer von unseren Öltankern ist gesunken?!“, und dann war das so was von dramatisch, wie wenn im Denver Clan mal wieder eine Bohrplattform in die Luft geflogen ist. Nämlich gar nicht. Jedenfalls nicht wegen der Ökologie. Höchstens wegen Bobby oder Steven, die wahlweise auf dem Tanker oder auf der Plattform mal wieder volle Kanne in Lebensgefahr schwebten. Wen interessierte da schon die Umwelt? Keinen. Bis vor zwölf Jahren. Vor zwölf Jahren kam nämlich die „Lindenstraße“, und seitdem gibt es Ökologie als spannenden Handlungsfaden, daß es nur so kracht! Keine andere Soap hat das.
Blicken wir mal zurück und sammeln wir, was wir da bisher zum Thema Umweltschutz so alles angucken mußten in der Linnegass: Benny Beimer zum Beispiel war mal irre aktiv bei Robin Wood und hat Herrn Töpfer damals sogar – in echt – Müll vor die Tür geschüttet. Wow! Und im Juni 1990 rief er zum Stromboykott auf, und die Zuschauer konnten entweder ausschalten oder Else und Egon Kling fünf Minuten lang im Dunkeln auf der Treppe hocken sehen. Toll! Tja, und jetzt ist Benny tot. Busunfall. Umweltschutz in Soaps rechnet sich eben nicht.
Aber dann kamen ja Zorro und Chris Barnsteg und machten Demos gegen Atomkraft. Wahnsinn! Das war Ende 91. Aber dann wurde Chris ganz doll von einem Wasserwerfer naßgespritzt und kriegte Grippe und hatte keine Lust mehr zu demonstrieren und wurde lieber Straßenschauspieler in Dänemark. Und Zorro ging auch weg. Vermutlich sind beide inzwischen tot. Wieder zwei, die nicht durchgehalten haben. Schade eigentlich. Aber schon kam da der alte Hubert Koch und fing an, den Müll zu trennen, daß es eine Freude war. Das war Anfang 92. Dann hatte sich das wieder mit dem Müll, und Hubertchen baute lieber mit Ammeliè von der Marwitz ein Windrad aufs Dach von Lindenstraße 3, damit alle sehen, daß es auch ohne Atom geht. Ende 92 mußte das Teil dann aber wieder runter, weil es so laut war. Und Hubertchen wollte sowieso lieber in den Osten und seinem Schwager helfen, eine Nähmaschinenfabrik zu gründen. Außerdem ist Hubertchen inzwischen eh tot. Hirnschlag. Lohnt sich ehrlich nicht, die Umweltschützerei, hm?
Trotzdem kam dann 93 die Blumenhändlerin Claudia Rantzow und verkaufte nur noch Biogemüse. Aber dann kriegte sie Brustkrebs und ist vom Auto überrollt worden. Schade. Doch – schwupp – schon kam Mitte 93 die Familie Zenker daher und nagelte ein Elektroauto zusammen. Das kam nur leider nicht übern TÜV und wurde anschließend irgendwie vergessen. Vermutlich ist es jetzt tot.
Wer in der „Lindenstraße“ Umwelt schützt, geht ja früher oder später immer übern Jordan. Später machte Phillip Sperling bei „Jugend forscht“ mit und bastelte ein duftes Konzept für eine autofreie Innenstadt. Nach der x-ten Stauumfrage wurde ihm das zu langweilig. Wahrscheinlich stirbt er bald. Die militante Tierschützerin Julia von der Marwitz ist ja letzten Oktober auch abgekratzt. An Tollwut. Und die Tempo-30-Kämpferin Anna Ziegler-Beimer sieht auch immer schlechter aus. Was kommt nur als nächstes? Wird Dr. Dressler das Wattenmeer zu retten suchen? Tritt Vasilys Sarikakis dem Vogelschutzbund bei? Man weiß ja, wie das endet: ertrinken beim Wasserprobenehmen, von der Klippe fallen beim Vogeleier zählen. Ja, die Realität ist gemein. Wenn wir nun eins gelernt haben: Umweltschützen lohnt nicht. Mensch, Lindenstraße! Die Themen sind so gut! Müssen die immer in Dramen enden?
PS: Andi Zenker sollte sein Elektrotaxi besser abschaffen, sonst kriegt er bestimmt demnächst einen Stromschlag durch den Zigarettenanzünder.
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