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Tories mit ungebrochener Todessehnsucht

Bei den britischen Konservativen tobt der Streit. Parteichef William Hague mobilisiert gegen den Euro, wichtige Abgeordnete wollen seinen Kurs nicht mittragen. Die Tories sind auf dem Weg zur Splitterpartei  ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – Der Selbstzerstörungstrieb der Tories ist ungebrochen. Den Parteitag vor vier Wochen haben sie mit Mühe überstanden, ohne daß der schwelende Krieg um die Europäische Währungsunion offen ausgebrochen ist, doch die Ruhe währte nicht lange. John Majors damaliger Stellvertreter Michael Heseltine, dessen Wort noch immer Gewicht hat, sagte am Wochenende, es sei an der Zeit, dem „Rutsch zur Euro- Feindlichkeit entgegenzutreten“.

Darüber hinaus verließ der pro- europäische David Curry das Schattenkabinett, während der Abgeordnete Peter Temple-Morris gar seinen Austritt aus der Partei vorbereitete. Er traf sich heimlich mit Premierminister Tony Blairs Beratern, um seinen Abschiedsbrief zu formulieren. „Seit Margaret Thatcher ist die Konservative Partei stetig extremer, nach innen gewandter und intoleranter geworden“, hieß es darin. Dann entschied er sich jedoch, bei den Tories zu bleiben, um „die Partei wieder zur Vernunft zu bringen“. Tory-Chef William Hagues Europapolitik bezeichnete er als Witz.

Hague, der auf dem Parteitag mit deutlicher Mehrheit im Amt bestätigt worden war, hatte irrtümlich angenommen, eine Formel für den Parteifrieden gefunden zu haben: Die Europäische Währungsunion käme für Großbritannien „aus wirtschaftlichen Gründen auf absehbare Zeit“ nicht in Frage. Der antieuropäischen Fraktion war das nicht genug. Sie forderte eine Absage an den Euro für alle Ewigkeit. Vorige Woche lenkte Hague ein: Man werde die Währungsunion mindestens bis zu den übernächsten Wahlen in acht bis zehn Jahren bekämpfen.

Der proeuropäische Kenneth Clarke, der bei den Wahlen zum Parteichef unterlegen war, rief zu einem „überparteilichen Bündnis für den Euro“ auf. Und Heseltine fügte hinzu: „Die einzige Frage ist, wann Britannien beitritt, denn beitreten werden wir.“ Die Äußerungen der Parteiführung lägen weder im Interesse Großbritanniens noch der Tories.

Auch die Industrie hat vom Euro-Streit die Nase voll. Die traditionellen Zahlmeister der Tories kritisierten Hagues Anti-Euro-Erklärung scharf. Lord Alexander of Weedon von der Großbank National Westminster sagte, die „Tory- Kampagne zur Rettung des Pfundes“ beweise, daß die Partei in Scherben liege.

Der schwerreiche Geschäftsmann Paul Sykes hat der Partei dagegen den Rücken gekehrt, weil sie sich „dem Euro nicht adäquat“ entgegenstelle. Seine siebenstelligen Spenden werden den Konservativen fehlen, zumal in der Parteikasse ohnehin Ebbe herrscht.

Hague würde das Thema am liebsten unter den Teppich kehren. Bei der parlamentarischen Fragestunde vergangene Woche ließ er die Gelegenheit verstreichen, Tony Blair über die Labour-Pläne zur Währungsunion auszuquetschen. Statt dessen befragte er ihn zum Bildungswesen.

Der wieder aufgebrochene Grabenkrieg hat den Gerüchten Nahrung gegeben, wonach Clarke und Heseltine ihre eigene Partei gründen wollen. Wieviel Unterstützung sie in der Partei hätten, ist ungewiß. Aufschluß geben könnte die Abstimmung über das Abkommen von Amsterdam, die in acht Tagen ansteht. Darin geht es unter anderem um die Ratifizierung der Sozialcharta. Sollte Hague Fraktionszwang verhängen, müsse er damit rechnen, daß 30 von 165 Tory-Abgeordneten gegen die eigene Partei stimmen, glaubt Ian Taylor, der vorige Woche ebenfalls aus dem Schattenkabinett ausgetreten ist. Eine solche Revolte wird normalerweise mit dem Ausschluß aus der Fraktion bestraft. Dann wären die Tories endgültig auf dem Weg zur Splitterpartei.

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