■ Öko-Institut: Gutachten für die Wirtschaft sind ein Fortschritt
: Aufgeweichte Fronten

Die Rolle des Wissenschaftlers ist es, möglichst schnell seine Forschungsergebnisse in neue Produkte und damit neue Jobs umzusetzen. Diesen Eindruck gewinnt, wer heute die öffentliche Debatte verfolgt. Vor 20 Jahren war das genau andersherum: Gerade die Techniker und Forscher, die kompromißlos neue Techniken vorantrieben, gerieten in die Kritik. Das galt vor allem für die Atomkraft. Die Möglichkeit einer Kernschmelze etwa wurde von den Betreibern kategorisch als unmöglich ausgeschlossen. Der Konflikt über das Für und Wider der Atomenergie wurde zu einem Streit um das technische Wissen.

In einer Phase, in der die ideologische Auseinandersetzung um die Politik im Deutschen Herbst 1977 in die Sackgasse geriet, entwickelte sich aus der Anti- AKW-Bewegung eine Umwälzung in der technischen Auseinandersetzung, die in Deutschland viel nachhaltiger wirkt als die Bemühungen der 68er-Revolte.

Eine der wichtigen Stützen dieser Entwicklung ist das Freiburger Öko-Institut, das vor genau 20 Jahren gegründet wurde. Es begann als Netz von kritischen Feierabendwissenschaftlern, die vor Gericht ehrenamtlich Bürgerinitiativen berieten. Zunächst reichte es noch, Zweifel an den Expertisen der Unternehmer zu streuen. Doch auf Dauer mußten fundierte Gutachten her. Sie führten fast zwangsläufig zu einer Professionalisierung. Inzwischen hat das Öko-Institut drei Büros und rund 50 Forscher. Nicht mit Gewalt, sondern mit Gegengutachten befreiten das Öko-Institut und seine Nachfolger die Öffentlichkeit von den Tyrannen Technik und Machbarkeitswahn.

Die verhärteten Fronten haben sich aufgelöst. Umweltinstitute wie -verbände erkennen mehr und mehr, daß die Strategie des nachsorgenden Umweltschutzes, z.B. Filteranlagen, an ihre Grenzen gerät. Viele Möglichkeiten sind bereits ausgeschöpft. Auch das Mittel der Gegengutachten hat sich etwas verbraucht, aber nur, weil viele ökologische Ansätze Allgemeingut geworden sind.

Fortschritte werden nur erreicht, wenn die Produkte bereits bei ihrer Entwicklung überprüft und der Herstellungsablauf ökologisch umgestaltet wird. Wenn das Freiburger Öko-Institut heute für Hoechst eine Studie erstellt, ist das Zeichen eines Sieges. Auch für Hoechst ist das Öko-Institut als werbewirksamer und Vertrauen schaffender Partner nur interessant, wenn es weiter auf seiner unabhängigen Position verharrt. Insofern gehört es heute zur Rolle der Öko-Forscher, schon im Vorfeld dafür zu kämpfen, daß neue wissenschaftliche Ergebnisse nicht vorschnell in umweltschädliche Produkte umgesetzt werden. Das ist schlicht zeitgemäß. Matthias Urbach