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NachgefragtHart gegen Nazi-Opfer

■ Zwangsarbeitern der Nazi-Lager wird die Lohn-Entschädigung verweigert

Das Bonner Landgericht hat in einem weltweit Aufsehen erregenden Urteil erstmals ausländischen Zwangsarbeitern ein Recht zugestanden, für ihre Arbeit Lohn-Entschädigung zu verlangen – 15.000 Mark in dem konkreten Fall. 21 von 22 der betagten KlägerInnen wurden jedoch abgewiesen. Rechtsvertreter der KlägerInnen und lange Jahre engagiert in der Sache ist der Bremer Klaus von Münchhausen.

taz: Warum haben 21 der 22 keinen Anspruch auf Entschädigung für ihre Zwangsarbeit?

Münchhausen: Das Gericht hat erklärt: Wenn ihr aus einer deutschen Kasse erstmal etwas erhalten habt, dann werdet ihr den Deutschen, die nach dem Bundesentschädigungs-Gesetz (BEG) etwas bekommen haben, gleichgestellt. Und die bekommen keinen Zwangsarbeiterlohn.

Warum nicht?

Weil diese Frage im BEG schlicht nicht geregelt ist.

Wie alt sind die Betroffenen?

Zwischen 70 und 80.

Das bedeutet, wenn der Bremer Senator Uwe Beckmeyer sagt, jetzt müsse neu verhandelt werden, dann sind vielleicht die letzten gestorben.

Was Herr Beckmeyer sagt, ist lächerlich. Als die Frage im Bremer Landtag debattiert wurde, das war 1987, da hat Beckmeyer erklärt: Wenn Bonn keine Regelung macht, dann machen wir eine. Die ist ja nie gemacht worden. Wedemeier hat mir damals geschrieben: Wir werden diese Sache wohlwollend prüfen ...

Sind die zivilrechtlichen Lohnansprüche vererblich?

Ja. Das ist der Grund, warum die zögerlich reagieren. Aber schon im Friedensvertrag von Versailles mußte Deutschland sich verpflichten, Zwangsarbeiter individuell zu entschädigen. Mit den Pariser Verträgen im Mai 1952 wurde Deutschland nur unter der Bedingung in die Westeuropäische Union (WEU) aufgenommen, daß es zusicherte, alle Nazi-Opfer zu entschädigen.

Warum macht die Bundesregierung nicht eine unbürokratische Regelung, die die alten Menschen noch erreicht?

Spanien hat die Kriegsgegner aus dem Bürgerkrieg alle zu spanischen Ehrenbürgern erklärt.

Und in Deutschland?

Die Grünen haben sogar ihre Zusage zurückgezogen, die Kosten für diesen Musterprozeß zu bezahlen. Die SPD-Bundeskanzler haben sich nicht anders verhalten als die der CDU.

Weil es viel Geld kostet?

Was heißt denn das? Da kann ich mich immer erregen. Deutschland hat die Welt kaputtgeschossen, aber die Welt hat auf Reparationen verzichtet. Im Gegenteil: Auf Kosten der amerikanischen Steuerzahler ist der Marshall-Plan gemacht worden. Die Bundesrepublik hat insgesamt etwa 100 Milliarden an Entschädigung gezahlt, eine lächerliche Summe, und davon gingen 90 Prozent an deutsche Nazi-Opfer. 100 Milliarden, soviel ist mit den Zusatzrenten an SS-Veteranen gegangen. Die haben, im Gegensatz zu den Zwangsarbeitern, ihr Geld immer problemlos bekommen.

Int.: K.W.

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