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Rot-Grün ist keine Antwort

■ Aber wie war nochmal die Frage? Die GAL-Abgeordnete Susanne Uhl begründet, warum sie den Koalitionsvertrag mit der SPD ablehnen wird

Eigentlich hatten es alle zusammen formuliert: Eine Regierungsbeteiligung der GAL kann nur ein sinnvolles Projekt sein, wenn damit konkrete Schritte und Signale für eine politische Korrektur verbunden sind. Die auf diesen zentralen Satz im Wahlprogramm folgenden beispielhaften Konkretisierungen haben eines gemeinsam: Sie beschreiben Brüche mit der bisherigen sozialdemokratischen Logik. Brüche mit dem SPD-Standortdogma, mit einer Stadtentwicklungs-, Sozial- und Flüchtlingspolitik, die sich in Hamburg bisher vor allem dadurch auszeichnet, daß sie antidemokratische Entwicklungen – den Abbau von Sozialstaatlichkeit und die Zunahme repressiver Reaktionen – nachvollzieht und damit gesellschaftspolitisch stärkt.

Welche Verhandlungserfolge gibt es im Bereich der „sozialen Frage“, welchen so beschriebenen aufklärerischen Gehalt hat das Ergebnis? Die Antwort lautet: k(aum)einen. Spürbare Veränderungen, die sich auf der „Haben-Seite“darstellen, die erste notwendige Schritte einer anderen Hamburger Politik verdeutlichen könnten, wird es nicht geben. Kleine Verbesserungen bewegen sich im Glaubensbereich: von formulierten Prüfaufträgen und der Widerstands- und Gestaltungskraft künftiger Regierungsmitglieder.

Dafür sollen auch wirkliche Verschlechterungen nicht verheimlicht werden. Richtig schlimm ist die Entscheidung, Leute zwischen 18 und 25 Jahren z. B. als Platzwarte in Sportvereinen zu parken. Und dies zu neu auszuhandelnden Tarifen, die aus Sicht der SPD mit rd. DM 1000,- netto (Vollzeit) fern jeglicher existenzsichernder Einkommen liegen sollen. Nicht nur, daß damit sogar die Deregulierungsphantasien Bonner AFG-Novellierer übertroffen werden. In einer Lebensphase, in der es spätestens um Zukunftschancen durch Ausbildung geht, sollen Leute ohne darüber hinausreichende Perspektiven beschäftigungsmäßig verwaltet werden.

Ein weiterer Punkt findet sich in der Wohnungspolitik. In einer Situation zunehmender Verarmung und des gleichzeitigen dramatischen Schwunds preiswerten Wohnraums wird der Soziale Wohnungsneubau runtergefahren. Statt bisher 5100 Wohnungen pro Jahr werden künftig 3500 gebaut werden. Da tröstet nur wenig, daß die ursprünglich von der SPD geforderte überproportionale Reduzierung des Mietwohnungsbaus im Verhältnis zu den Eigentumsmaßnahmen („Diese sind unbedingt notwendig, um unsere Klientel in Hamburg zu halten“– SPD) noch etwas korrigiert werden konnte.

Was wären neben der Verhinderung von Deregulierungen a la SPD beispielhafte Signale für positive Veränderungen gewesen?

Die Dezentralisierung des Alptraums Ausländerbehörde auch für Flüchtlinge und ein damit verbundenes klares Bekenntnis, Spielräume in den Asylgesetzen offensiv zugunsten der Flüchtlinge auszulegen, Abschiebungen möglichst zu vermeiden. Statt dessen gibt es eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag, Verfahrensabläufe zu straffen, garniert mit dem offenen Bekenntnis des künftigen Bürgermeisters, daß die zentrale Ausländerbehörde als ausdrücklich repressive Institution gegen Flüchtlinge erhalten bleiben soll. Und Hamburg schielt künftig über die Landesgrenzen: Sollte irgendwo ein Bundesland einen Abschiebestop verfügt haben, wird geprüft, ob ein rotgrünes Hamburg sich vielleicht als zweites anschließen könnte, um damit zu beweisen, möglicherweise doch liberaler als die CSU-regierten Bayern zu sein ...

Auch die vollständige Rücknahme von Sparmaßnahmen im Sozialbereich, die vor allem Leute treffen, die Sozialhilfe beziehen und eine Aufstockung der sogenannten einmaligen Leistungen (z.B. Kleidergeld) wären ein kleines Signal gewesen. Verbunden mit der klaren Aussage, daß es bei einer sozialen Stadtentwicklung (Armutsbekämp-fung) in erster Linie um die Beteiligung von Leuten geht und die reale Möglichkeit, die Maßnahmen, die sie für ihren Stadtteil planen, durch verfügbares Geld auch umsetzen zu können. Ist nicht.

Dabei sei gesagt, daß an dieser Stelle noch nicht einmal der Hinweis auf die angespannte Haushaltslage taugt, würde man die Folgerungen aus dieser Situation, nämlich eine rigide Sparpolitik, teilen. Alleine der beschlossene Verzicht auf die Großprojekte Legienstraße und Neugraben-Fischbek spart die Mittel ein, die für solch kleine Veränderungen ein Anfang wären.

Ein weiteres Beispiel sei noch genannt: Die Herausnahme von Moorburg und Francop aus dem Hafenentwicklungsgesetz, um endlich wieder eine normale und für die Leute dort soziale Stadtteilentwicklung möglich zu machen. Mit der sozialdemokratischen Begründung, die Restriktionen, die das Gesetz auferlegt, müßten weiter aufrecht erhalten werden, um künftigen Generationen die Möglichkeit zu geben, sich im Sinne der Standortentwicklung für die Hafenerweiterung dort zu entscheiden, ist das Ergebnis sogar schlechter als das Voscherausche Angebot aus den Verhandlungen 1993. Dabei würde die Herausnahme aus dem Hafenentwicklungsgesetz die Dörfer noch nicht einmal dauerhaft und für immer verschonen können, sollten „künftige Generationen“tatsächlich zu der Entscheidung kommen, daß dort Hafen stattfinden soll. Denn kein Ort der Stadt ist dauerhaft Sperrbezirk für Unfug, wenn eine politische Entscheidung diesen vorsieht. Die massenhaft leerstehenden Bürotürme zeigen es: Ein einfacher Bebauungsplan reicht hierfür gemeinhin.

Auch im Zusammenhang mit der Flughafenerweiterung wäre eine Verbesserung der Lärmsituation für die AnwohnerInnen nicht fern jeder Vorstellungskraft gewesen, ohne „die Grundfunktionen der Stadt“(SPD) sofort in ihr Gegenteil zu kehren.

In der Gesamtschau der Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen sind dies nur ein paar Beispiele, die zeigen sollen, daß es ganz realpolitisch kleine Veränderungen hätte geben können, die noch nicht einmal von besonders hohen Erwartungen an die vielzitierte Reformkraft rotgrüner Koalitionen geprägt sind. Die aber die Alternative zumindest andeuten. Auch für Bonn. Denn woher sollte die Aufbruchstimmung zu einem Regierungswechsel kommen, wenn die Unterschiede nur noch derart marginal sind?

Und: Diese Veränderungen wären spürbar gewesen. Sie hätten mich – jenseits der nur schwer erträglichen Elbvertiefung, der Hafenerweiterung in Altenwerder und des Mühlenberger Lochs (die Ökologen mögen verzeihen!) – überzeugen können, daß es ein sinnvolles Projekt sein könnte, sich in neoliberalen Zeiten wie diesen an einer sozialen und demokratischen rotgrünen Regierung zu beteiligen.

Eine Zustimmung zu dieser Koalitionsvereinbarung trägt nur dazu bei, die real existierende SPD-Politik mit einem Feigenblatt zu versehen und zu unverhoffter Legitimation zu verhelfen. Dafür wird die ohnehin nicht sehr lautstarke linke Opposition, als deren parlamentarische Stimme wir uns (immer noch) begriffen haben, geschwächt.

Die CDU wird sich freuen. Ich mich nicht.

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