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„Deutsche Mutter, bist Du bereit“

■ Soziale Einrichtung oder Zuchtanstalt? Was bedeutete der Lebensborn für ledige Mütter, die schwanger waren? Interview mit der Bremer Journalistin Dorothee Schmitz-Köster

„Ein schreckliches Thema“habe sie sich ausgesucht, bekam die Bremer Journalistin Dorothee Schmitz-Köster immer wieder zu hören, als sie für ihr Buch „Deutsche Mutter, bist Du bereit“über den Lebensborn recherchierte. In den Heimen des Lebensborn wären doch rassisch wertvolle Männer und Frauen zur Zeugung einer neuen Elite zusammengebracht worden, war ein gängiges Vorurteil, dem die Journalistin immer wieder begegnete. Ihre Gesprächspartnerinnen, Frauen, die im Lebensborn entbunden hatten, lobten die Einrichtung dagegen, weil sie ihnen in einer schwierigen Lage geholfen hatte. War der Lebensborn am Ende eine frauenfreundliche Institution, wollte die taz von der Autorin wissen.

taz: Frau Schmitz-Köster, mit dem Lebensborn wollten die Nazis arische Herrenmenschen züchten. In den Erzählungen der Frauen, die in den Heimen des Lebensborn ihr Kind zur Welt brachten und die Sie für ihr Buch interviewt haben, stellt sich die SS-Einrichtung allerdings eher so dar als hätte sie den Frauen zur Emanzipation verholfen. Schwangere Frauen konnten ihr uneheliches Kind im Lebensborn gebären, ohne das ihre Eltern davon erfuhren. Nach der Geburt konnten die Frauen arbeiten gehen, während die Schwestern im Lebensborn auf ihre Kinder aufpaßten.

Dorothee Schmitz-Köster: In den Augen der Frauen ist der Lebensborn sogar eine hervorragende soziale Einrichtung gewesen. Emanzipationshilfe würde ich trotzdem nicht sagen. Es waren ja schließlich keine Frauen, die sich aus freien Stücken dazu entschieden hatten, ein Kind zu kriegen. Für die meisten Frauen, die ich kennengelernt habe, war der Lebensborn aber eine Einrichtung, die ihnen in einer Schwangerschaftskonflikt-Situation geholfen hat.

Und aus lauter Dankbarkeit haben diese Frauen ausgeblendet, daß sie nichts weiter waren als Gebärmaschinen für die Zucht einer neuen Elite?

Ja. Die Frauen haben alles ausgeblendet, was mit Nationalsozialismus, mit Rassenlehre, mit Erbgesundheit und Euthanasie zu tun hatte. „Also wir hatten doch gar nichts mit der SS zu tun“, hat eine Frau beispielsweise mal zu mir gesagt. Aber auch wenn ich Verständnis dafür habe, daß die Frauen beim Lebensborn Hilfe gesucht haben, entschuldbar ist das trotzdem nicht.

Aber wo sollten die Frauen denn damals hin?

Ich kann verstehen, daß eine schwangere Frau zum Lebensborn gegangen ist, weil sie vom Vater des Kindes und von ihren Eltern in Stich gelassen wurde. Ich will die Frauen in meinem Buch auch nicht verurteilen. Ich habe nach Erklärungen gesucht. Es gab ja vor dem Nationalsozialismus auch schon Heime für ledige Mütter. Die Nazis haben diese Heime Stück für Stück kassiert und sie für ihre eigenen Zwecke mißbraucht. Am Ende gab es nur noch Heime des Lebensborn. Und diese Heime standen nur noch 40 Prozent der Frauen offen – die übrigen Frauen, waren dem Lebensborn rassisch und gesundheitlich nicht wertvoll genug.

Sie haben sich ja auch mit einer Reihe von Kindern unterhalten, die im Lebenborn geboren wurden. Was heißt es eigentlich für diese Menschen, zur Rassenauslese der Nazis zu gehören?

Es gibt einige Leute, die versuchen, ihre Herkunft zu ignorieren. Einer meiner Gesprächspartner, Paul D., fängt erst jetzt im Rentenalter an, sich mit seiner eigenen Geschichte zu befassen. Früher hat es ihn mehr beschäftigt, daß er ein uneheliches Kind war. Eine andere Frau hat sich auf der politischen Schiene an dem Thema abgearbeitet. Ihr Vater war SS-Funktionär, und sie ist eine erklärte und engagierte Linke geworden. Es gibt aber auch Lebensborn-Kinder, die noch heute unter ihrem Arisch-sein leiden und ihre Herkunft als Makel mit sich herumtragen.

Das Gerücht, daß im Lebensborn „ausgesuchte Männer und Frauen“zusammengebracht wurden, um Kinder zu zeugen, hält sich hartnäckig. Dafür gibt es jedoch keine schriftlichen Beweise.

Nein, ich habe auch keine Beweise dafür gefunden. Trotzdem war es mir sehr wichtig, dieses Buch über den Alltag im Lebensborg zu schreiben. Der Faschismus ist in den Köpfen der Menschen ein unheimlicher Mythos. Und ich finde es wichtig, daß der Faschismus verstanden wird, wie er wirklich war und nicht als Mythos weiterlebt. Das gilt auch für den Lebensborn. Fragen: Kerstin Schneider

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