: Zeigen, wie man Terrorist wird
■ "Die Täter" heißt der erste Beitrag der fünfteiligen Reihe "Im Fadenkreuz - Deutschland und die RAF". Er leistet, was Breloers Dokudrama nicht leisten konnte (So., 21.45 Uhr, ARD)
ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann erinnert sich gut, wie er von den drei Toten in Stuttgart-Stammheim erfahren hat. Er hörte es am Autoradio und mit einiger „Beklemmung“. Durch den Kopf sei ihm geschossen: „Wenn das nicht stimmt, diese Nachricht vom Selbstmord, das kann das Ende der Republik sein.“ Heute ist er sich sicher, daß die Nachricht damals stimmte. Von der Tann äußerte sich bei der Vorstellung einer fünfteiligen ARD- Reihe „Im Fadenkreuz – Deutschland und die RAF“. Den Auftakt macht morgen der vom NDR produzierte Beitrag „Die Täter“, ein Film von Christian Berg und Cordt Schnibben.
Am 9. November 1977 war alles vorbei. Die Freipreßaktion der RAF war gescheitert, der von einem Palästinenserkommando entführte Urlauberjet von der GSG9 erfolgreich gestürmt und drei der vier Geiselnehmer erschossen, die in Stammheim inhaftierten Baader, Raspe und Ensslin waren tot aufgefunden und der von der RAF entführte Hanns Martin Schleyer ermordet worden. Heute dürfte die Mehrzahl der Zuschauer mit dem 9. November den Fall der Mauer vor acht Jahren in Verbindung bringen. Zwanzig Jahre Deutscher Herbst 77 – ein wahrer Erinnerungs- und Aufarbeitungsmarathon geht zu Ende. Den Anfang machte schon im Juni Heinrich Breloers „Todesspiel“, kaum ein Sender, der nicht auch eine Dokumentation ausstrahlte, und trotzdem: „Im Fadenkreuz – Deutschland und die RAF“ kommt zwar spät, die Reihe hat dennoch ihre eigene Berechtigung.
Der Beitrag „Die Täter“ leistet, was Breloers hochgelobtes Dokudrama nicht zu leisten vermochte. Am exemplarischen Beispiel von Gudrun Ensslin und Andreas Baader wird der scheinbar wahnsinnige Weg nachgezeichnet, der einige aus der Nachkriegsgeneration in den bewaffneten Kampf gegen Staat und Gesellschaft führte. „Zeigen, wie man Terrorist wird“, so nennt Cordt Schnibben das Anliegen des Filmes. Ein ziemlich hoher Anspruch, der bemerkenswert erfolgreich dadurch umgesetzt wird, daß die Seite der Terrorbekämpfer in diesem Beitrag weitgehend ausgeblendet ist.
Die Chronik vom Gang Meinhofs und Baaders in den Untergrund wird nahezu ausschließlich von ehemaligen Mitkämpfern oder früheren Freunden der beiden nachgezeichnet, von Horst Mahler, Bommi Baumann und Rainer Langhans etwa oder von Monika Seifert, Freimut Duve oder Monika Faller. Und deren Urteil über den Weg der RAF (Baumann: „ein einziger ununterbrochener Irrsinn“) erlangt dadurch Authentizität, daß auf die formelhaften Verurteilungen des Terrorismus aus der Sicht der Strafverfolger verzichtet wird.
Über die „Täter“ gäbe es natürlich einiges mehr zu sagen, als es Christian Berg und Cordt Schnibben tun. Mord oder Selbstmord im Stammheimer Knast? Dieser Frage gehen die beiden ebensowenig nach, wie sie auch das Schicksal der anderen Mitglieder aus der RAF-Gründergeneration nicht thematisieren oder den weiteren Weg der RAF nach dem Herbst 1977 nicht verfolgen. Dennoch ist es kein Mangel. Der Film ist einer der wenigen, die nachvollziehbar machen, warum einige in den siebziger Jahren dem mörderischen Glauben verfielen, die Bundesrepublik mit der Waffe in der Hand bekämpfen zu müssen. Wolfgang Gast
Die weiteren Folgen: 10.11. „Der Staat“ von Erich Schütz und Martin Thoma; 12.11. „Die Familien“ von Sabine Zurmühl; 13.11. „Fluchtpunkt DDR“ von Angi Welz-Rommel und Hanna Blösser; 14.11. „Die Öffentlichkeit“ von Michael Gramberg, in diesem Beitrag geht es um die Rolle der Medien im Deutschen Herbst
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