: Etappensieg für Kruzifix-Gesetz
■ Bundesverfassungsgericht lehnt Verfassungsbeschwerde aus formalen Gründen ab. Die Entscheidung in der Sache ist aber noch offen
Freiburg (taz) – Die Kruzifixe in bayerischen Grundschulen können einstweilen hängen bleiben. Aus formalen Gründen lehnte gestern das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe eine hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde ab.
Erst 1995 hatte Karlsruhe entschieden, daß die bayerische Kruzifixpflicht verfassungswidrig sei. Sie verletze die „negative Glaubensfreiheit“ von Schülern, die von solchen religiösen Symbolen verschont werden wollen. In Bayern hatte sich daraufhin ein von Kirchen und CSU angefeuerter Aufschrei der Empörung erhoben. Offen wurde erwogen, das Karlsruher Urteil einfach zu ignorieren. Letztlich aber ging die bayerische Staatsregierung einen etwas eleganteren Weg. Ein neues Gesetz wurde verabschiedet, das zwar nach wie vor das Kruzifix im Klassenzimmer zur Pflicht erklärt, aber auch eine sogenannte „Widerspruchslösung“ vorsieht. Danach hat der Schulleiter einen „gerechten Ausgleich“ zu finden, falls Eltern der Anbringung des Kreuzes „aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung“ widersprechen.
Gegen dieses Gesetz erhoben der Bund für Geistesfreiheit sowie Landtagsabgeordnete der Grünen Popularklage. Diese nur in Bayern vorgesehene Klageart ermöglicht es, daß jeder Bürger dem bayerischen Verfassungsgerichtshof ein Gesetz zur Prüfung vorlegen kann. Das klingt zwar sehr liberal, bringt aber in der Regel nichts, weil das bayerische Verfassungsgericht CSU-lastig ist und nicht zu unbotmäßigen Entscheidungen neigt.
So war es auch nicht verwunderlich, daß die Münchner Richter das neue Kruzifix-Gesetz prompt als verfassungskonform bewerteten. Nach Meinung der Kläger waren sie dabei allerdings vom Karlsruher Urteil aus dem Jahr 1995 weit abgewichen. Schließlich war dort jeder staatlichen Kruzifix-Pflicht eine Absage erteilt worden. Die Bayern hätten vor dieser Abweichung, so die Streiter, wenigstens in Karlsruhe um Erlaubnis nachfragen müssen. Karlsruhe selbst sah das gestern anders. Bei der Popularklage sei nur die bayerische Verfassung, nicht aber das Grundgesetz ausgelegt worden. Deshalb sei eine Vorlage nach Karlsruhe unnötig gewesen.
Schon in einigen Monaten wird sich das BVerfG nicht mehr so leicht um ein Urteil in der Sache drücken können. Ein Vater aus Bruckmühl klagt sich derzeit durch die Instanzen, da sein Widerspruch gegen das Kruzifix von den bayerischen Gerichten nicht akzeptiert wird. Die Begründung des bekennenden Sozialisten: die Kirche sei eine „antiemanzipatorische Organisation“. Christian Rath
(1 BvR 1604/97)
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