piwik no script img

■ Schöner lebenAn der Käsetheke

Einkaufen muß jeder Mensch. Aber der Platz, an dem die Gesellschaft für alle Umstehenden wahrnehmbar in ihre Schichten zerfällt, ist die Käsetheke. Nicht etwa, weil der eine den handgeschöpften Ziegenfrischkäse vom südfranzösischen Biobauernhof (100 Gramm für 3,99 DM) ersteht und die andere das „diese Woche supergünstige Angebot“, den Pikantje von Gouda (100 Gramm für 99 Pfennig). Das kann jedem mal passieren. Ob arm oder reich, spielt keine Rolle. Der moderne Mensch surft, getragen auf den Wellen einer mediterranen Genußfreudigkeit, quer durch alle Preissegmente. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Längst hat der Berufsstand der SoziologInnen reagiert und thematisiert nicht mehr Grenzen, sondern deren Überschreitungen. Man spricht über Mittelstände, Androgynität, ja selbst „das Wesen“von Mann und Frau und begibt sich auf die bislang vergebliche Suche nach dem Eigentlichen der Geschlechter. Doch siehe da, der Mensch braucht Halt und Heimat. Warum sonst sollte er zu dem Prospekt auf der Käsetheke greifen, der mitten in einer neu entflammten Gender-Diskussion die erdige Frage stellt: „Welcher Käsetyp sind Sie?“

Die Zahl der anzukreuzenden Möglichkeiten ist überschaubar: Sechs Kurzbeschreibungen definieren sechs Typen: den Genießer, den Stürmischen, den Familiären, den Natürlichen, den Geselligen und den Charaktervollen. Sie bevorzugen jeweils ein anderes Lebensmotto und einen anderen Käse. Der Stürmische etwa findet „das Leben jeden Tag aufs neue spannend“und futtert einen Sovind, der irgendwo „im frischen Seewind“der dänischen Küste baumelnd heranreift. Der Charaktervolle hingegen - „Es sind die kleinen Freuden, die das Leben so lebenswert machen“- bevorzugt den in 35 Meter tiefen Kalksteinhöhlen dämmernden Höhlenkäse.

Das Bestimmungsverfahren ist einfach, es verläuft ohne Jury, nicht fremd-, sondern selbstbestimmt. Eine hohe Herausforderung in Zeiten, da die Wissenschaft sich gar weigert festzulegen, was männlich und was weiblich ist. Doch Vorsicht! Wer jetzt noch behauptet, das mit der Wissenschaft sei sowieso alles Käse, muß sich fragen lassen: Was für ein Käsetyp sind Sie? dah

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen