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Gutachten: Soziale Dienste chaotisch

■ Gutachten: Soziale Dienste sind chaotisch organisiert, ineffizient, nicht kostenbewußt und ohne Führung / Behörde müßte umorganisiert werden - MitarbeiterInnen sperren sich

Vor zehn Jahren wurde nach langer und wissenschaftlich begleiteter Vorbereitungsphase die „Neuordnung der Sozialen Dienste“eingeleitet, kurz: „NOSD“genannt. Alles sollte reformiert und anders werden, Bremen bundesweit vorn. Schon wenige Jahre später ist deutlich geworden, daß die Reform nicht so gelungen ist. Daher wurden 1992 externe Gutachter beauftragt, den Erfolg der NOSD einmal zu überprüfen. Ihr Gutachten wurde 1994 nicht veröffentlicht. Als nach einem Jahr voller Nachbesserungen die zweite Fassung dann abgesegnet wurde, war die zwischen den Zeilen knallhart: Ineffizient, chaotisch organisiert, zu wenig dezentral und nicht kostenbewußt seien die Sozialen Dienste in Bremen organisiert worden, so die Ploenske-Gutachter. Die Kritik traf die Spitze der Behörde wie die untersten Arbeitseinheiten.

Es passierte aber nichts, das Gutachten landete im Aktenlager. 1996 wurde ein neuer Gutachterauftrag formuliert, die Berater von Tormin wurden beauftragt, den Zustand der Sozialbehörde zu untersuchen und eine Neuorganisation zu begleiten, „Putog“heißt nun das „Projekt zur Umsetzung des Tormin-Gutachtens“im Abkürzungsdeutsch.

Gutachter Tormin hat aber die Erkenntnisse von 1994/95 voll bestätigt: Chaotisch sei die Struktur der Ämter für soziale Dienste, weil auf allen Ebenen bis in die Spitze eine kollegiale Verantwortung herrscht. „Das stete Bemühen um Konsens“führe dazu, daß die „Konsequenz bei der Anwendung zielgerichteter Organisationsprinzipien dahinter zurücksteht“, hatten das die Gutachter von 1995 suffisant beschrieben. Ganz knapp „Organisierte Unverantwortlichkeit“übersetzt das Personalrat Burkhard Radtke.

Die vier großen Sozialämter sind zu wenig dezentral, auf 8 bis 10 Stadtteile verteilt sollten die Anlaufstellen dezentral und fußläufig erreichbar sein, finden die Gutachter. Das erlaube zudem mehr niedrigschwellige Angebote. Vor allem sollen die überschaubaren dezentralen Einheiten für ihr auf den Stadtteil bezogenes Angebot auch finanziell verantwortlich sein, Fach- und Finanzverantwortung sollen in einer Hand liegen.

Um „klare Verantwortungsstrukturen“zu bekommen, so die Gutachter, müsse die senatorische Behörde sich aus der Durchführung der Sozialen Dienste klar heraushalten. Einzelfall-Akten auf Tischen von Staatsräten kämen nach dem Modell nicht mehr vor, die Behörde müßte sich auf die Definition von Zielen und Strategien konzentrieren und wäre dadurch aber auch in der Lage, ein Controlling auszuüben – was es bei der bisherigen Vermischung der Kompetenz-Ebenen nicht geben kann. 1998 soll mit der Umsetzung der Reform begonnen werden, zum 1.1. 2000 soll alles neu organisiert sein.

Grundsätzlich sehen alle ein, daß der Gutachter Recht hat wie schon der von 1994. Aber schon an der Spitze gibt es Widerstände: Die vier Amtsleiter für Soziale Dienste sind nicht dafür, daß es in Zukunft nur noch einen geben soll. Vor allem sträuben sie sich dagegen, auch die finanzielle Verantwortung für das Budget zu übernehmen. Viele Mitarbeiter in der senatorischen Behörde empfinden die Vorstellung als Degradierung, eine Stufe tiefer in eine „nachgeordnete Behörde“gehen zu sollen – von derzeit 250 würden vielleicht gerade 60 Mitarbeiter in einer „senatorische Behörde“ürbigbleiben. Und der Staatsrat Christoph Hoppensack stellt die Frage, was denn von der Landesbehörde bliebe, wenn die gesamte Durchführung in ein nachgeordnetes Amt abgegeben würde – die Kenntnis der praktischen Seite der Arbeit, die bisher für ihn den Charme der Stadtstaaten bei Treffen mit den anderen Bundesländern ausmacht, wäre dahin.

Aber vor allem gibt es Widerstand auf der Amtsleiter-Ebene, die Finanzverantwortung zu übernehmen. Bisher, das hat die Sozialsenatorin Gärtner schon 1995 bemerkt, wissen die Kräfte vor Ort nicht was eine Maßnahme kostet. Das soll sie nach dem alten Reform-Konzept der NOSD auch nicht beeinflussen. Die neue Gesamtverantwortung soll ganz neue Fragen aufwerfen helfen: Wie teuer darf eine Fördermaßnahme für Schwerbehinderte sein, zum Beispiel? Wieviel „Spielkreise“können mit dem Geld bezahlt werden, das für eine Heimunterbringung ausgegeben werden muß? Auf der unteren Ebene der Mitarbeiter fürchtet man bei der geplanten Kosten-Transparenz vor allem, daß der Spardruck zunimmt: Es könnte einen Anreiz geben, „teure“Fälle in die Töpfe anderer abzuschieben, die fachlich verantwortete Entscheidung könnte durch die Kosten-Gesichtspunkte ins Hintertreffen geraten. „Natürliches Beharrungsvermögen“haben die Gutachter zudem festgestellt und mahnen eine „Richtungsentscheidung“an: Wenn die Veränderung schrittweise ab 1.1.1998 beginnen soll, dann muß bald entschieden werden, was das Ziel sein soll. K.W.

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