■ Frankreich: Gewerkschaften beenden den Streik der Lkw-Fahrer
: Bitterer Sieg

Ein paar tausend Lkw-Fahrer hielten Frankreich und Europa in Atem. Mit bis zu 180 Barrikaden blockierten sie einen bedeutenden Teil des Wirtschaftsgeschehens, waren in allen Schlagzeilen des Kontinentes und bestimmten die Tagesordnungen sämtlicher Gipfeltreffen. Am Ende kamen für die Streikenden die Anhebung auf ein immer noch obszön niedriges Lohnniveau im Jahr 2000 sowie die erstmalige tarifvertragliche Erwähnung einer Monatsarbeitszeit für Lkw-Fahrer heraus. Letztere liegt bei 200 Stunden – zu einem Zeitpunkt, da der Rest Frankreichs auf die 35-Stunden-Woche (also rund 150 Monatsstunden) umstellt.

Das ist ein bitterer Sieg. Sein Preis für die Akteure läßt sich nicht nur in den Lohnausfällen der Streiktage, in durchwachten Nächten und handgreiflichen Auseinandersetzungen mit Streikbrechern beziffern. Er ist auch politisch. Für die 340.000 französischen Lkw-Chauffeure, von denen nur ein kleiner Teil gewerkschaftlich organisiert ist und noch weniger überhaupt an dem Ausstand aktiv beteiligt waren, schrumpft die Hoffnung auf eine grundsätzliche Verbesserung ihrer Situation durch politische Aktionen.

Vier große Streiks der französischen Lkw-Fahrer binnen zwölf Jahren haben nicht verhindert, daß sich die Lohn- und Arbeitsbedingungen massiv verschlechterten und die Branche in 38.000 wüst gegeneinander konkurrierende, Dumpinglöhne zahlende und kaum kontrollierte Unternehmen zersplitterte. Als Gegengewicht gab es bis dato immerhin noch die Zusammenarbeit der Gewerkschaften der Branche. Der Durchmarsch der sozialdemokratischen CFDT, die den Kompromiß mit den Fuhrunternehmern gegen die Einwände aller anderen Gewerkschaften unterzeichnete, hat dem am Freitag ein abruptes Ende gesetzt. Die CFDT zwang damit den anderen, insgesamt mitgliederstärkeren Gewerkschaften ihre Linie auf, und sie markierte eine neue Spaltlinie in einer ohnehin vielfach atomisierten Branche.

Ein Sieg für die selbsternannten Modernisierer von der CFDT ist das nicht. Vielmehr schwächt der auf dem Rücken der Streikenden ausgetragene Machtkampf jede künftige gewerkschaftliche Aktion. Viele Lkw-Chauffeure werden sich angesichts des ihnen aufgezwungenen „Kompromisses“ angewidert in die Einsamkeit der Führerhäuschen zurückziehen und in Konfliktfällen das individuelle Gespräch mit dem Patron suchen. Nach dem Niedriglohndiktat der Fuhrunternehmer hat die CFDT den Lkw-Fahrern einen weiteren Schlag versetzt. Dorothea Hahn