: Im „Endlager“ Gorleben sind sie endlich ganz unten
■ Mit acht Jahren Verzögerung kommen die Bundes-Atombohrer auf 933 Meter Tiefe an
Hannover (taz) – Mit gut achtjähriger Verspätung haben die Gorlebener Endlagerbauer gestern im Endlagerschacht I die Endtiefe – oder bergmännisch ausgedrückt „Endteufe“ – von 933 Metern erreicht. Was in anderen Salzstöcken laut dem niedersächsischen Oberbergamt etwa drei Jahre dauert, zog sich damit in Gorleben aufgrund immer neuer geologischer und technischer Probleme beinahe zwölf Jahre hin.
Die Abteufarbeiten für den Endlagerschacht I hatten am 1. März 1986 begonnen. Bis zum tiefsten Punkt wollte man ursprünglich bereits 1989 gelangt sein. Die letzte Fuhre mit Salz aus dem Schacht war gestern dennoch ein Grund zum Feiern für die AG Schächte Gorleben, die Deutsche Gesellschaft zum Bau und Betrieb von Endlagern und die Behörden.
Die Serie der Unfälle und Pannen beim Bau des Schachts I erreichte im Mai 1987 mit einem tragischen Unfall einen ersten Höhepunkt. Damals löste sich durch den Gebirgsdruck ein stählerner Stützring aus der Schachtwand und erschlug einen unten auf dem Schachtboden arbeitenden Bergmann; Kollegen von ihm wurden schwer verletzt. Nach dem Unfall wurde eine Verformung der Schachtwand um mehr als 30 Zentimeter festgestellt. Um ein Einstürzen des gesamten Bauwerks, das eigentlich einmal in das sicherste bundesdeutsche Bergwerk führen sollte, zu vermeiden, mußte der Schacht mit einem 14 Meter hohen Propf aus Schnellbeton gefüllt werden. Danach lagen die Bauarbeiten für mehrere Jahre still. Als die Bergleute später die Oberkante des Salzstocks ereicht hatten, floß immer wieder Salzlauge in den Schacht ein, und es gelang jahrelang nicht, diese Zuflüsse zu stoppen. Die Einbrüche in den Schacht deuteten damals auf eine Verbindung zwischen den Salzstock und höheren Grundwasser führenden Schichten hin, die den Salzstock für ein Endlager ungeeignet machen.
Das gesamte Endlagerbergwerk, das offiziell immer noch „Erkundungsbergwerk“ heißt, sollte ursprünglich bereits 1995 fertig sein. Nach dem derzeitigen Planungsstand sollen die Erkundungsarbeiten nun bis zum Jahre 2003 dauern. Bis dahin sollen 25 Kilometer Stollen gebohrt sein.
Daß der Schacht I nun mit Ach und Krach fertiggesellt wurde, besagt in den Augen der BI Lüchow- Dannenberg über die Endlagertauglichkeit des Salzstocks „überhaupt nichts“. Auch beim „Auffahren“ des Bergwerks stehen den Endlagerbauern noch Hürden gegenüber: Bisher können sie sich nur in nordöstlicher Richtung vorangraben, da das Salz auf der anderen Seite der Schächte Andreas Graf Bernstorff gehört. Jürgen Voges
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